ZWISCHEN DER PLATTFORM UND DER PARTEI: DIE AUTORITÄREN TENDENZEN UND DER ANARCHISMUS

Von der Soligruppe für Gefangene und die Zerstörung der Nation und des Staates übersetzt. Weitere Texte zu diesem Thema und dazu anhängende werden folgen.


ZWISCHEN DER PLATTFORM UND DER PARTEI: DIE AUTORITÄREN TENDENZEN UND DER ANARCHISMUS

VON PATRICK ROSSINERI

Entre la plataforma y el partido: las tendencis autoritarias y el anarquismo, von Patrick Rossineri, wurde ursprünglich in den Nummern 45 bis 49 der anarchistischen Zeitung Libertad! aus Buenos Aires, Argentinien veröffentlicht.

Erste Ausgabe wurde von Diaclasa im November 2015 in Barcelona veröffentlicht.

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Es ist notwendig, aus der Romantik herauszukommen. Wir müssen die Massen in der richtigen Perspektive sehen. Es gibt kein homogenes Volk, sondern verschiedene Menschen, Kategorien. Es gibt nicht den revolutionären Willen der Massen, sondern revolutionäre Momente, in denen die Massen enorme Hebel sind. Camilo Berneri

Einleitung

Der Anarchismus ist eine Bewegung – d.h. eine Vielzahl von Tendenzen – deren allgemeines Ziel es ist, eine Gesellschaft ohne Ausgebeutete und Unterdrückte zu gründen, alle Formen der Regierung und des Eigentums an den Produktionsmitteln abzuschaffen, soziale Klassen und ihre Privilegien, rassische, sexuelle, ökonomische, politische und soziale Ungleichheiten zu beseitigen. Dieser beschreibende Umriss umfasst die meisten der Tendenzen, die als anarchistisch bezeichnet werden: individualistischen, organisationistischen, kommunistischen, kollektivistischen, plattformistischen, anarchosyndikalistischen usw. Ungeachtet dieses dem Anarchismus innewohnenden Bewegungscharakters haben einige Tendenzen eine weniger inklusive Vision, sondern streben die Bildung einer parteiähnlichen anarchistischen Organisation an: eine anarchistische Partei.

Diese Vorschläge gehen im Allgemeinen von der Organisationsplattform aus, die in den 1920er Jahren von Makhno, Archinow und anderen prominenten russischen anarchistischen Militanten, denen es gelungen war, das bolschewistische Russland zu verlassen, im Exil verfasst hatten. Dieses Dokument schlug eine Reorganisation des Anarchismus in Russland vor, die – ohne es zu erkennen – Elemente eindeutig leninistischer Natur enthielt, mit der Absicht, die Fehler zu überwinden, die zur anarchistischen Niederlage angesichts der bolschewistischen Vorherrschaft während der Russischen Revolution geführt hatten. Innerhalb dieser plattformistischen Linie stechen die Workers Solidarity Movement of Ireland und die nordamerikanische NEFAC hervor. Einige ihrer bekanntesten Vertreter in Lateinamerika sind die Alianza de los Comunistas Libertarios in Mexiko, die Organización Comunista Libertaria in Chile, die Federación Anarquista Gaucha in Brasilien und die OSL in Argentinien. Aber es gab in den 1960er und 1970er Jahren auch andere Tendenzen, die, ohne sich offen als plattformistisch zu erkennen zu geben, einen parallelen Weg skizzierten, der von der kubanischen Revolution beeinflusst war. Die wichtigste Referenz dieser Linie war die Federación Anarquista Uruguaya, eine paradigmatische Organisation und Inspirationsquelle für anarcho-marxistische und parteiähnliche anarchistische Organisationen, wie es in Argentinien mit der Resistencia Libertaria der Fall war, sowie für verschiedene plattformistische Organisationen.

In den meisten dieser Tendenzen und Organisationen gibt es bestimmte gemeinsame Annahmen, gemeinsame Muster und affine Elemente, die es erlauben, sie als eine einzige Strömung zu erfassen. Ihr herausragendstes Element ist die Vorstellung, dass die anarchistische Revolution durch parteiähnliche Organisationen vorangetrieben werden muss. Diese Auffassung wurde aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Argumenten begründet, die nicht immer deckungsgleich sind. In jedem Fall überwiegen die Gemeinsamkeiten gegenüber den Unterschieden, die eher wie Nuancen der gleichen Farbe wirken.

Vorläufig sei gesagt, dass wir unter einer politischen Partei eine Gruppe von Menschen verstehen, die eine politische Organisation bilden, die sich einer Ideologie verschrieben hat und ein Aktionsprogramm hat, dessen Ziel die Übernahme der politischen Macht ist, sie ist eine vom Staat unabhängige Organisation und hat den Anspruch, den allgemeinen Willen und die Interessen der Mehrheit zu vertreten. Die politische Partei wird uns als ein Vehikel für soziale Transformation präsentiert, wie ein Mittel um einen Ziel zu erreichen (die Regierung). Die Konzeption der anarchistischen Partei entspricht in der Theorie den allgemeinen Parametern politischer Parteien, außer in Bezug auf die Ergreifung der politischen Macht; das Mittel zur gesellschaftlichen Umgestaltung ist die parteiähnliche Organisation, die die revolutionäre Führung etablieren würde. Gegen diese repräsentative, direktive, externe und vermittelnde Konzeption des Plattformismus und der Anarcho-Parteientum lehnt sich der größte Teil der anarchistischen Bewegung in all ihren anderen Ausprägungen, auf. Im Folgenden werden wir einige der grundlegenden Annahmen und Argumente untersuchen, mit denen diese Tendenzen die Notwendigkeit rechtfertigen, sich in Form einer Partei zu organisieren.

Was ist eine politische Partei?

Politische Parteien entstanden als Gruppierungen oder Vereine von kooperierenden Individuen, die die Parlamentskandidatur eines Politikers unterstützten. Seid ihren Ursprüngen im frühen 19. Jahrhundert an waren politische Parteien mit der Idee der Regierung (Zugang zur Macht) und der Idee repräsentativer Wahlen verbunden. Sie waren Fraktionen oder politische Gruppen, die um einen Kandidaten herum organisiert waren, aber im Laufe der Zeit bekamen sie einen viel weniger provisorischen oder umstandsbedingten Charakter und wurden zu formelleren, stratifizierten und bürokratisierten Organisationen, die nicht mehr um eine Person herum organisiert waren, sondern um ein Programm oder eine Ideologie. In einem moderneren Sinne, so der Gelehrte Francisco de Andrea Sánchez, hat eine politische Partei bestimmte Eigenschaften, die sie von anderen Arten politischer Gruppierungen unterscheiden: „a) eine dauerhafte, vollständige und unabhängige Organisation, b) ein Wille zur Machtausübung und c) eine Suche nach populärer Unterstützung, um diese zu erhalten“. Dieser Autor argumentiert, dass, so wie die Kategorie der Verkehrsmittel verschiedene Arten von Fahrzeugen umfasst, man sagen könnte, dass „jede politische Partei eine politische Gruppe ist, aber nicht jede politische Gruppe eine politische Partei ist.“ Eine politische Gruppe kann eine NGO, eine syndikalistische Gruppierung, eine universitäre Gruppierung, ein Club usw. sein, nicht unbedingt eine politische Partei.

Diese Unterscheidung ist wesentlich, wenn es darum geht, zu erörtern, warum Anarchisten die Bildung einer Partei ablehnen. Alle Definitionen einer politischen Partei beinhalten als unausweichliche Zutat den Willen, einer Regierung beizutreten. Schauen wir uns die folgenden Definitionen an:

1- „eine politische Partei ist eine Gruppe von Menschen, die über eine stabile Organisation verfügt, mit dem Ziel, für ihre Anführer die Kontrolle über eine Regierung zu erlangen oder aufrechtzuerhalten und mit dem weiteren Ziel, den Mitgliedern der Partei durch diese Kontrolle ideelle und materielle Vorteile zu verschaffen“ (Friedrich, Carl. J. Theorie und Wirklichkeit der demokratischen Verfassungsorganisation, Mexiko, FCE: 297).

2- „die Form der Vergesellschaftung, die, auf einer freien Rekrutierung beruhend, zum Ziel hat, ihrem Anführer innerhalb eines Verbandes Macht zu verschaffen und auf diese Weise ihren aktiven Mitgliedern bestimmte ideelle oder materielle Wahrscheinlichkeiten zu gewähren“ (Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft, Mexiko, FCE, 1969: 228).

3- „Eine Partei ist eine Gruppe, deren Mitglieder beabsichtigen, im Wettbewerb um die politische Macht gemeinsam zu handeln“ (E. Schumpeter, zitiert in de Andrea Sanchez. Politische Parteien: 61).

Dies sind nur einige der Definitionen, die die moderne soziologische Theorie für die Kategorie der politischen Partei zulässt. Dann ist eine Partei eine Organisation, die strukturiert ist, um zu leiten, zu verwalten, zu repräsentieren, zu regieren, sie ist eine im Wesentlichen vermittelnde Instanz (sie fördert die indirekte Aktion). In Anbetracht dessen was vorher gesagt wurde, steht die Parteiform im Widerspruch zu einigen der grundlegenden Ziele des Anarchismus: die Abschaffung aller Arten von politischer Macht, die Beseitigung des Staates und aller Formen der Regierung. Dies ist der Haupteinwand, der gegen die Idee der anarchistischen Partei vorgebracht werden kann.

Der (Be)Trug der bakuninistischen Partei

Aber diese Inkongruenz zwischen Mitteln und Zielen wird von Anarcho-Parteibefürwortern gewöhnlich umgangen, indem sie einwenden, dass sie, wenn sie von einer Partei sprechen, sich auf die Bedeutung beziehen, die Bakunin ihr gegeben hat, wie im Fall der mexikanischen ACL. In einem Dokument mit dem Titel El Anarquismo Revolucionario y los Partidos Politicos (Revolutionärer Anarchismus und die politischen Parteien) behaupten sie, dass Michail Bakunin „die historische Notwendigkeit einer revolutionären Partei, die nur von den der revolutionären Sache am meisten gewidmeten und sich aufopfernden Elementen gebildet wird, vollkommen verstanden hat. Bakunin verstand nicht nur die Notwendigkeit einer solchen Organisation, sondern er baute sie auch 1868 unter dem Namen Allianz der sozialistischen Demokratie auf.“

Erstens ist es absolut falsch, dass Bakunin „die historische Notwendigkeit einer revolutionären Partei zur Perfektion (…) verstanden hat“, umso mehr, als das, was als eine politische Partei seiner Schöpfung bezeichnet wird, keine im modernen Sinne war. Die Allianz war eine politische Avantgarde-Gruppierung, die für die Aktion und den Kampf geboren wurde, und wie Bakunin selbst sagt: „Das einzige Ziel der Geheimgesellschaft muss nicht die Konstituierung einer künstlichen Kraft außerhalb des Volkes sein, sondern die Erweckung und Organisation der spontanen populären Kräfte“. Die Rolle der Avantgarde besteht nicht darin, die Massen zur Revolution zu lenken oder zu führen, sondern die populären Klassen zu beeinflussen, sich selbst zu organisieren und zu emanzipieren, und zwar aus dem Inneren der Massen und nicht von außen, indem sie die spontane direkte Aktion anregen. Bakunin bezieht sich eigentlich auf kleine, unabhängige und miteinander verbundene Gruppen, die auf das gleiche revolutionäre Ideal reagieren. Das Ziel der Allianz war es, die Massen zu beeinflussen, nicht sie aus einer Position der Macht heraus zu führen. Bakunin war noch weniger an der Kontinuität einer solchen Organisation interessiert, nachdem die Revolution stattgefunden hatte, was mit seiner insurrektionalistischen und spontanen Vision der sozialen Revolution übereinstimmt. Eine dauerhafte Permanenz oder eine reformistische Beteiligung war bei den Aktivitäten der Allianz ausgeschlossen.

Nimmt man einige seiner Sätze aus dem Kontext, so könnte man interpretieren, dass es Berührungspunkte zwischen Bakunins Avantgardismus und Lenins „revolutionärer Führung“ gibt. Und das ist möglich, weil Bakunins Werk unsystematisch, zerstreut, fragmentarisch, diskontinuierlich und oft verwirrend ist (was man an Ausdrücken wie „Die Aufgabe der Allianz ist es, diesen Massen eine wirklich revolutionäre Führung zu geben“ erkennen kann)1. Auf der anderen Seite ist Lenins Werk wesentlich kompakter und strukturierter und bietet weniger Raum für Zweifel. Der Brite Christopher Hill – der brillanteste marxistische Historiker seiner Generation – beschreibt prägnant die Idee der Partei, die Lenin in der berühmten Schrift Was tun? von 1902 verteidigte: „Nur eine politische Partei der Arbeiterklasse konnte ein Instrument der Revolution sein. (…) es könnte keine revolutionäre Bewegung ohne eine strenge theoretische Orientierung geben. Aber das Klassenbewusstsein konnte nicht spontan in der Arbeiterklasse entstehen; es musste von außen durch eine politische Partei eingeführt werden, die die Avantgarde und bewusste Führung dieser Klasse darstellen würde“. Wenn die ACL also für die „historische Notwendigkeit“ einer revolutionären Partei argumentiert, dann folgt sie nicht Bakunin, sondern eindeutig leninistischem Gedankengut. Andererseits erklärt die ACL, dass sie darauf verzichtet, sich nur aus taktischen Gründen als Partei zu bezeichnen, „da unter Partei heute die bourgeoise Vorstellung von: Wahlen, Parlament, politischer Macht und einer ganzen Reihe von Begriffen verstanden wird, die der populären Emanzipation entgegenstehen.“ Was in Wirklichkeit nichts anderes bedeuten kann, als zu sagen: „Wir sind eine Partei, aber wir erkennen es nicht öffentlich an, um Einwände zu vermeiden“.

Für die ACL sind die autoritären politischen Parteien die bourgeoisen und leninistischen, die als vertikal und zentralistisch angesehen werden, im Gegensatz zu einer vermeintlich anarchistischen Partei, die auf jeden Fall die Trennung zwischen Anführern und Geführten, Emanzipierten und Emanzipierenden, Unbewussten und Bewussten nicht beiseite lassen würde; darauf fasst sich diese angebliche „bakuninistische Tendenz“ zusammen. Wie der Rätekommunist Roi Ferreiro in diesem Zusammenhang zu Recht sagt: Wenn die ACL bekräftigt, dass es ihr Ziel ist, „unser libertäres sozialistisches Programm in [die populären Bewegungen] einzubringen und die populären Kämpfe auf einen antikapitalistischen Weg zu führen“, dann sagt sie damit alles. Wer hier nicht nur eine weitere „revolutionäre Partei“ sieht, ohne wesentlichen Unterschied zu all den anderen, die das von sich behaupten, ist blind.

Das Paradoxe an der Sache ist, dass die ACL vorgibt, sich vom Leninismus abzugrenzen, indem sie Bakunin selbst die Vaterschaft des leninistischen Denkens zuschreibt: „Die Konzeption einer Organisation der Elemente der Avantgarde ist nicht, wie viele denken, zum ersten Mal von Lenin entwickelt worden. Bakunin verstand schon Jahrzehnte vorher, dass die Organisationen der Verteidigung und des Widerstands der Massenfront (z.B. die Gewerkschaften/Syndikate oder die internationalen Arbeitervereinigungen) nicht ausreichen würden, um einen revolutionären Kampf zu führen, sondern dass darüber hinaus Kerne der bewusstesten Revolutionäre notwendig sind, um den reformistischen und offen bourgeoisen Tendenzen die Führung der populären Bewegungen streitig zu machen“ (Hervorhebung von uns). Hier offenbart sich in seinem ganzen Wesen eine politische Partei, die mit anderen Kräften ähnlicher Eigenschaften um die Macht konkurriert. Unnötig zu sagen, dass dies nie Bakunins Denken war.

Während die ACL behauptet, dass ihr Hauptunterschied zum leninistischen Denken darin besteht, dass die anarchistische Organisation nicht die Machtergreifung anstrebt, müssen wir bedenken, dass zwar die Ziele entgegengesetzt sind, die Mittel, um sie zu erreichen, jedoch ähnlich sind. Und das sollte bei all jenen, die mit guten Absichten an dieser Art von Vorschlägen festhalten, ein Warnlicht auslösen, denn der Sprung von der Führung von populären Bewegungen zur politisch-ökonomischen Führung der Gesellschaft durch eine anarchistische Organisation, kann in Realität nur ein Schritt sein.

Die List der Partei des Malatesta´s

Offensichtlich entgeht der widersprüchliche Inhalt des Begriffs anarchistische Partei auch anderen Gruppierungen nicht, die dazu neigen, seine Verwendung zu rechtfertigen. In Hijos del Pueblo, Nº 7 (Buenos Aires, Juni 2007) heißt es zum Beispiel, dass in den 1970er Jahren die Liga Anarco Comunista und Resistencia Libertaria „als Strategie die Notwendigkeit des Aufbaus einer Spezifischen Anarchistischen Organisation2 aufwarfen, wobei die erste eine Tendenz oder Linie war, eine weitere Gruppe, die am Prozess des Aufbaus einer solchen Organisation teilnehmen würde, die als Partei charakterisiert wurde. Dies geschah, indem man die Vorschläge von Bakunin und Malatesta aufgriff, die sich auf die Notwendigkeit bezogen, eine anarchistische Partei zu gründen, womit die Organisation der Anarchisten verstanden wird“.

Zunächst muss klargestellt werden, dass Resistencia Libertaria nach Aussage derer, die ihr angehörten, eine Kaderpartei im modernen Sinne des Wortes war, inspiriert von den Parteien der revolutionären Linken der 1970er Jahre. Deshalb ist es falsch, sich an Malatesta -viel mehr an Bakunin- zu wenden, um die „Notwendigkeit des Aufbaus einer anarchistischen Partei“ zu rechtfertigen. Der Begriff Partei, wie er von Malatesta verwendet wurde, hatte nicht den Sinn der historischen Form „politische Partei“, sondern wurde als Synonym für Organisation, Gruppierung, politische Gruppe oder Fraktion verwendet. Eine Partei im modernen Sinne ist ein Typus, eine wohldefinierte Art von Organisation.

Die FAU selbst – die ihre eigene Version der Anarcho-Parteientum propagiert – stellt auf ihrer Webseite klar, dass die Bedeutung, die Malatesta dem Begriff Partei gab, „die Gesamtheit all derer ist, die für ein bestimmtes politisch-soziales Ziel kämpfen, mit den gleichen Kriterien und Vereinbarungen, unabhängig von den spezifischen Organisationsformen und auch von ihrer Existenz oder nicht“. Wenn Malatesta von einer Partei sprach, meinte er damit nichts anderes als eine Organisation, im Gegensatz zu den individualistischen Positionen seiner Zeit. Er bezog sich dabei nicht auf eine wie auch immer geartete politische Partei, sondern auf „eine Gesamtheit von Individuen, die ein gemeinsames Ziel haben und danach streben, dieses Ziel zu erreichen“. Denn was in jenen Jahren diskutiert wurde, war die Frage, ob man in Organisationen oder individuell handeln sollte; es war keine Frage von Partei oder keine Partei.

Betrachten wir zum Beispiel die Organisationsform, die Malatesta konzipiert hat: „Wir wollen, dass sich die anarchistischen Gruppen vervielfältigen und ausbreiten. Möge es eine Föderation geben, mögen es zwei sein, mögen es hundert sein: wichtig ist, dass jeder das Umfeld findet, das zu ihr passt, dass jeder nach seinen Ideen und seinem Temperament arbeiten kann und in der Vereinigung nicht eine Beschränkung seiner Freiheit findet, sondern den Weg, sein Handeln effektiver, seine Freiheit wahrer zu machen… Freiheit des Individuums in der Gruppe und der Gruppe in der Föderation“. Diese offene Bedeutung des Begriffs Partei bei Malatesta entspricht keineswegs der eingeschränkten Bedeutung von politischer Partei, sondern ist auf verschiedene Arten von Organisationen und Vereinigungen anwendbar.

Darüber hinaus verurteilte Malatesta ausdrücklich den leninistischen Typus der Parteiorganisation – wie er auch dies mit den Plattformismus tat- und warnte, dass, wenn die Revolution das Werk der anarchistischen Organisation und nicht der Arbeiter selbst sei, „dann gäbe es nicht mehr einen Triumph des Anarchismus, sondern einen Triumph unserer selbst. Wie sehr wir uns auch Anarchisten nennen mögen, in Realität wären wir nicht mehr als bloße Herrscher und wären für das Gute machtlos, wie es alle Herrscher sind“ (V. Richards: 128). Den Ausdruck anarchistische Partei im Sinne Malatestas zu verwenden, ist also ein Anachronismus, der perfekt durch die heutigen Begriffe anarchistische Organisation oder Kollektiv ersetzt werden kann; es bedeutet, dem Ausdruck eine andere Bedeutung zuzuschreiben als die, die sein Autor ihm gegeben hat. Dieser Unsinn findet keine weitere Rechtfertigung, wenn Vernon Richards und Angel Cappelletti, Malatestas hervorragendste Kommentatoren, den Ausdruck anarchistische Partei nie als den Vorschlag interpretierten, eine politische Partei als Organisationsform der Anarchisten zu bilden.

Was bringt es also, auf der Verwendung des Begriffs anarchistische Partei zu bestehen, um dann klarstellen zu müssen, dass damit eigentlich eine politische Gruppierung gemeint ist, die sich von dem, was man üblicherweise unter einer „politischen Partei“ versteht, völlig unterscheidet? Vielleicht ist die Antwort, dass das, was wirklich angestrebt wird, die Naturalisierung des Begriffs Partei unter Anarchisten ist, als ein erster Schritt zur Bildung von anarchistischen politischen Parteien im eigentlichen Sinne.

Lenin und die bolschewistische Konzeption der Partei

Wir haben gesagt, dass die Konzeption der Avantgardepartei, von der einige anarchistische Gruppen ausgehen, eindeutig in einer leninistischen Konzeption verhaftet ist, anstatt sie auf der Grundlage des Denkens von Bakunin oder Malatesta zu machen. Schauen wir, welches die Hauptelemente der leninistischen Konzeption der Partei sind, die die Bolschewiki nach der russischen Oktoberrevolution als ihre offizielle Doktrin annehmen werden.

Der erste Punkt, den es zu beachten gilt, ist, dass Lenin glaubte, dass das revolutionäre Bewusstsein dem Proletariat von außen, extern, zugeführt werden muss. Das Proletariat führte aus eigener Kraft nur den ökonomischen Kampf weiter, der sich im syndikalistischen Kampf verzettelte, der ein reformistisches Ziel hatte. Ohne eine revolutionäre Partei, die ihn führt, würde sich der Klassenkampf nicht voll entwickeln und in einem embryonalen Stadium bleiben. Diese Konzeption der Exteriorität der Partei in Bezug auf das Proletariat, die einer Masse, die nicht in der Lage ist, ihr eigenes revolutionäres Selbstbewusstsein und ihre eigenen Ideen zu entwickeln, ein echtes (marxistisches) revolutionäres Bewusstsein einflößt, wird durch die führende Rolle der Partei als revolutionäre Avantgarde des Proletariats vervollständigt.

Diese Ideen wurden 1902 in Kapitel II des Pamphlets Was tun? in Bezug auf die gewaltigen Streiks des vorangegangenen Jahrzehnts in Russland scharf formuliert:

„Wir haben gesagt, daß die Arbeiter ein sozialdemokratisches Bewußtsein gar nicht haben konnten. Dieses konnte ihnen nur von außen gebracht werden. Die Geschichte aller Länder zeugt davon, daß die Arbeiterklasse ausschließlich aus eigener Kraft. nur ein trade-unionistisches Bewußtsein hervorzubringen vermag, d.h. die Überzeugung von der Notwendigkeit, sich in Verbänden zusammenzuschließen, einen Kampf gegen die Unternehmer zu führen, der Regierung diese oder jene für die Arbeitet notwendigen Gesetze abzutrotzen u.a.m. Die Lehre des Sozialismus ist hingegen aus den philosophischen, historischen und ökonomischen Theorien hervorgegangen, die von den gebildeten Vertretern der besitzenden Klassen, der Intelligenz, ausgearbeitet wurden. Auch die Begründer des modernen wissenschaftlichen Sozialismus, Marx und Engels, gehörten ihrer sozialen Stellung nach der bürgerlichen Intelligenz an. Ebenso entstand auch in Rußland die theoretische Lehre der Sozialdemokratie ganz unabhängig von dem spontanen Anwachsen der Arbeiterbewegung, entstand als natürliches und unvermeidliches Ergebnis der ideologischen Entwicklung der revolutionären sozialistischen Intelligenz.“

„Sie (die Theorie von Marx) hat die wirkliche Aufgabe der revolutionären sozialistischen Partei klargelegt: (…) sondern den Klassenkampf des Proletariats zu organisieren und diesen Kampf zu leiten, dessen Endziel die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat und die Organisierung der sozialistischen Gesellschaft ist“ (Lenin, Unser Programm, 1899, Werke Band 4, Seite 204-205).

Lenin nach ist also die Selbstemanzipation der Arbeiterklasse nicht möglich, weil sie kein revolutionäres Bewusstsein haben kann, wenn es nicht von außen eingefügt wird. Und wer sind diejenigen, die ein sozialistisches Bewusstsein haben: die sozialistischen revolutionären Intellektuellen, d.h. eine aufgeklärte Avantgarde, die die Arbeiterklasse zum Triumph führen wird. Diese Avantgarde ist in einer revolutionären Partei organisiert, die den Auftrag hat, den Kampf der Arbeiter gegen den Kapitalismus zu führen. Die revolutionäre Partei wird notwendigerweise historisch, das unausweichliche Bindeglied zwischen der Arbeiterklasse und der Erreichung des Sozialismus.

Ein weiterer hervorstechender Punkt der leninistischen Theorie ist die führende Rolle der revolutionären Theorie. Ohne eine rigorose Theorie ist keine Revolution möglich. Und es sind gerade Elemente bourgeoiser Herkunft, die ihre intellektuellen Fähigkeiten zur Verfügung stellen werden, um diese Theorie zu schmieden.

„Es kann keine starke sozialistische Partei geben, wenn es keine revolutionäre Theorie gibt, die alle Sozialisten vereinigt, aus der sie all ihre Überzeugungen schöpfen und die sie auf die Methoden ihres Kampfes und ihrer Tätigkeit anwenden; wenn man eine solche Theorie, die man nach bestem Wissen für richtig hält, vor unbegründeten Angriffen und Versuchen, sie zu verschlechtern, schützt, so heißt dass noch keineswegs, ein Feind jeder Kritik zu sein“ (ebenda, S. 205).

Obwohl Lenin dies nicht als notwendige Bedingung ausdrückt, sind es de facto die Intellektuellen der bourgeoisen Schichten, die die Führungsaufgaben der revolutionären Partei besetzen, die ihrerseits den Kampf des Proletariats führt. Mit anderen Worten: Die Partei ist die Avantgarde der sozialen Revolution und die Intellektuellen sind die Avantgarde der Partei.

Lenin kümmerte sich auch darum, die Organisationsform der kommunistischen Partei genau zu beschreiben. Er argumentierte, dass die Ziele der Partei nur durch eine disziplinierte Organisationsform, den demokratischen Zentralismus, erreicht werden könnten. Die Partei wurde als eine disziplinierte Armee von Revolutionären, den bewusstesten Elementen des Proletariats, konzipiert, die in jeder Art von Situation zurechtkommen können: die revolutionäre Avantgarde.

Der demokratische Zentralismus verbindet den Zentralismus eines militarisierten Apparates mit demokratischem Funktionieren, indem er bewusste Disziplin und den freiwilligen Verzicht auf Freiheit verherrlicht, um Einheit der Aktion und maximale Effizienz in der Tätigkeit der Partei zu erreichen. Theoretisch würden die Diskussionen von unten nach oben zirkulieren und umgekehrt in der vertikalen Struktur der Partei, was garantieren würde, dass die von der Führung umgesetzten Entscheidungen von der gesamten Organisation diskutiert worden wären. Der allgemeine Rahmen dieser Diskussionen wäre der einer Organisation von wählbaren und widerrufbaren Autoritäten, mit strenger Parteidisziplin, Freiheit der internen Kritik, individueller Verantwortung des Mitglieds, kollektiver Arbeit, Souveränität der Mehrheit über die Minderheit, Unterordnung unter die Entscheidungen der Führung, die für die unteren Organe verbindlich sind.

Wie wir gesagt haben, so würde der demokratische Zentralismus in der Theorie funktionieren, obwohl betont werden muss, dass es historisch gesehen nie eine leninistische Organisation gegeben hat, die es geschafft hat, innerhalb dieses Ansatzes zu funktionieren, sondern dies immer durch die Verschärfung des hierarchischen Zentralismus, die aufgeklärte Rolle der Führung, die Auslöschung der internen Dissidenz, die Priorisierung des „militärischen Aspekts“ der Organisation, die rigide Disziplin und die Auslöschung der individuellen Initiative der Militanten. Der demokratische Zentralismus ist eine historische Fiktion und ein Euphemismus, der den konkreten Bürokratismus der leninistischen Parteien verschleiert.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt der leninistischen Doktrin besteht gerade in ihrer Abneigung jeglicher Form von populärem Spontaneismus oder dem Verlust der Kontrolle des Arbeiterkampfes durch die Partei:

„unsere „Taktik als Plan“ in der Ablehnung des sofortigen Aufrufs zum Sturmangriff besteht, in der Forderung, eine „regelrechte Belagerung der feindlichen Festung“ zu organisieren, oder, mit andern Worten, in der Forderung, alle Anstrengungen darauf zu richten, daß eine reguläre Armee gesammelt, organisiert und mobilisiert werde “ (Lenin, Was tun?, Kapitel V).

Wie man sieht, betont Lenin immer die militärischen, taktisch-strategischen, logistischen Aspekte, die Kräfteverhältnisse, die Angriffspläne, also das, was man im politisch-militärischen Jargon die Technik des Staatsstreichs nennt, die von Trotzki im Oktober 1917 effizient angewandt und von Curzio Malaparte brillant erklärt wurde. Es ist erwähnenswert, dass Lenins Verweis auf die reguläre Armee sich auf die Streitkräfte des bourgeoisen Staates bezieht, wenn es für die Partei selbst nicht möglich ist, eine revolutionäre Armee zu bilden.

Am meisten theoretisiert und gefördert wurde dieser militaristische Aspekt des Marxismus-Leninismus von Mao Tse-tung, der endlose Seiten damit verbrachte, die Grundlagen und „Gesetze“ des Langandauernder Volkskrieg in einem langweiligen Militärhandbuch mit dem Titel Strategische Probleme des revolutionären Krieges in China im Jahr 1936 zu erläutern. Das gesamte leninistische Theoriekorpus zur Taktik und Strategie der revolutionären Kriegsführung ist, obwohl aus historischen Gründen völlig veraltet, nach wie vor die Hauptquelle zum Nachschlagen und Studieren in den leninistischen Parteien. Das ist ein Beispiel für a-historischen und wissenschaftlichen Dogmatismus seitens derer, die sich für die alleinigen Besitzer unfehlbarer Methoden zur Erreichung von Revolutionen und für Kenner der materialistisch-dialektischen Entwicklung der menschlichen Geschichte halten.

All die militärische Terminologie, die Lenin verwendet, ist nicht losgelöst von seiner Vorstellung davon, wie Politik funktioniert, und auch nicht von seinen Ideen über die Bedeutung der Disziplin innerhalb der Partei. Im Grunde unterscheidet sich die leninistische Konzeption nicht von der, die von Clausewitz popularisiert wurde: Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Für Lenin:

Die Diktatur des Proletariats ist der aufopferungsvollste und schonungsloseste Krieg der neuen Klasse gegen einen mächtigeren Feind, gegen die Bourgeoisie, deren Widerstand sich durch ihren Sturz (sei es auch nur in einem Lande) verzehnfacht (…) der Sieg über die Bourgeoisie ist unmöglich ohne einen langen, hartnäckigen, erbitterten Krieg auf Leben und Tod, einen Krieg, der Ausdauer, Disziplin, Festigkeit, Unbeugsamkeit und einheitlichen Willen erfordert. (Lenin, Der„Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus).

Angesichts der Verwefungen, den man ihm einst wegen der Verwendung dieser militärischen Redewendungen, insbesondere des Wortes Agent, prahlte Lenin darüber mit einen sarkastischen Unterton:

„Mir gefällt dieses Wort, denn es betont klar und deutlich die gemeinsame Sache, der alle Agenten ihre Vorhaben und Handlungen unterordnen, und müßte man dieses Wort durch ein anderes ersetzen, so könnte ich höchstens das Wort „Mitarbeiter“ wählen, wenn es nicht ein wenig nach Literatentum röche und etwas verschwommen wäre. Wir aber brauchen eine militärische Organisation von Agenten.“ (Lenin, Was tun?, Kap. V).

Und diese martialische Vision der Politik, weit davon entfernt, irgendwelche Skrupel in ihren Aktionen zu zeigen, nutzt jedes Mittel, das ihr zur Verfügung steht, um ihr Ziel zu erreichen, nämlich die Ergreifung der Staatsmacht und die Errichtung der Diktatur des Proletariats. In seiner Konzeption sind die Mittel dem Zweck untergeordnet, eine Maxime, deren Meister Lenin war, der Lektionen in Opportunismus und Karrierismus ohnegleichen erteilte. Eine seiner bekanntesten Anekdoten ist, dass er den deutschen Agenten, sozialistischen Theoretiker und jüdischen Finanzier Helphand-Parvus – den er zutiefst verachtete – benutzte, um die ökonomischen und materiellen Mittel zu beschaffen, um klandestin in Russland einzureisen, bekanntlich mit Geld, das von den deutschen Imperialisten zur Verfügung gestellt wurde, die wussten, dass ein bolschewistischer Triumph Russland aus dem Krieg herausführen und die Möglichkeit einer von wirklich radikalisierten Arbeiterräten geführten Revolution verhindern würde.

Die Parteidisziplin – wie in einer Armee – war einer der Eckpfeiler des leninistischen revolutionären Projekts. Ohne strenge Zentralisierung und eiserne Disziplin wäre keine Revolution möglich. Es ist schwierig, den blinden Gehorsam, den Lenin und seine Anhänger von ihren Untergebenen verlangten, mit der internen Demokratie, der Freiheit der Kritik und dem selbstkritischen Geist zu verbinden, die sie innerhalb der Partei zur Umsetzung empfahlen. Diese Parteidisziplin beschränkte sich nicht auf die bewusste Selbstdisziplin und die Verschärfung der Verantwortungen des Militanten. Nach der Revolution fragte sich Lenin, wie die Disziplin der revolutionären Partei aufrechtzuerhalten sei, wie sie zu kontrollieren und zu stärken sei. Die Antwort war vorhersehbar: durch das Bewusstsein, die Standhaftigkeit und den Opfergeist der proletarischen Avantgarde und „durch die Richtigkeit der politischen Führung, die von dieser Avantgarde verwirklicht wird, durch die Richtigkeit ihrer politischen Strategie und Taktik, unter der Bedingung, daß sich die breitesten Massen durch eigene Erfahrung von dieser Richtigkeit überzeugen. Ohne diese Bedingungen kann in einer revolutionären Partei, die wirklich fähig ist, die Partei der fortgeschrittenen Klasse zu sein, deren Aufgabe es ist, die Bourgeoisie zu stürzen und die ganze Gesellschaft umzugestalten“ (Lenin, Der„Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus).

Die Repressionen, die Lenin und Trotzki gegen Revolutionäre anführten, die sich der bolschewistischen Autokratie widersetzten, und später der grausame Genozid, den Stalin zur Disziplinierung der Massen anordnete, füllen den Ausdruck mit einem unheilvollen Inhalt aus ihrer eigenen Erfahrung.3

Der parteiliche Unitarismus ist ein weiterer, nicht weniger bemerkenswerter Aspekt der leninistischen Theorie. Für Lenin ist eine einzige revolutionäre Partei für die Durchführung der revolutionären Führung verantwortlich, weil jede Partei ein anderes Klasseninteresse vertritt. Wenn zwei sozialistische Parteien die Arbeiterklasse repräsentieren, ist es logisch zu folgern, dass mindestens eine der beiden eine falsche Repräsentation beansprucht und nicht auf die Klasseninteressen der Arbeiter eingeht. Nach Lenins Auffassung wird die Zeitung eine zentrale und einigende Rolle haben, die dem Rest der Partei die richtige Linie aufzeigt und Kriterien innerhalb und außerhalb der Organisation vereinheitlicht:

„…der Hauptinhalt der Tätigkeit unserer Parteiorganisation, der Brennpunkt dieser Tätigkeit (…) in ganz Rußland einheitlich zusammengefaßt sein muß, die alle Seiten des Lebens beleuchtet und in die breitesten Massen getragen wird. Diese Arbeit aber ist im heutigen Rußland ohne eine gesamtrussische, sehr oft erscheinende Zeitung undenkbar. Die Organisation, die sich von selbst um diese Zeitung bildet, die Organisation ihrer Mitarbeiter (im weiten Sinne des Wortes, d.h. aller, die für sie arbeiten), wird eben zu allem bereit sein, angefangen damit, daß sie die Ehre, das Ansehen und die Kontinuität der Partei in der Zeit der größten revolutionären „Depression“ rettet, bis zu dem Moment, da sie den allgemeinen bewaffneten Volksaufstand vorbereitet, ansetzt und durchführt.“ (Lenin, Was tun?, Kapitel V).

Natürlich kann eine solche Einheit der Kriterien, eine theoretisch-ideologische Einheit und eine Einheit der Aktion nur mit dem strengsten Grad an militanter Disziplin und Gehorsam gegenüber der vom Zentralkomitee vertretenen Linie erreicht werden.

Vom parteilichen Unitarismus der Bolschewiki aus wurden die russischen Anarchisten und Sozialrevolutionäre als petite bourgeoise Verirrung wahrgenommen, während sie sich selbst als die Partei der proletarischen Avantgarde sahen. Obwohl Russlands historische Bedingungen einzigartig waren, was er in vielen Schriften nicht verkennen kann, argumentierte Lenin unverblümt, dass „die Erfahrung hat bewiesen, daß in einigen sehr wesentlichen Fragen der proletarischen Revolution alle Länder unvermeidlich dasselbe werden durchmachen müssen, was Rußland durchgemacht hat.“ (Lenin, Der„Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus). In Anbetracht des endgültigen Schicksals des kommunistischen Kartenhauses, das Lenin eingeweiht hat, und der Fülle marxistisch-leninistischer Einzelparteien (Trotzkisten, Stalinisten, Maoisten, Guevaristen usw.), die sich anmaßen, die wahre proletarische Avantgarde zu sein, können wir nicht umhin, uns über den erbärmlichen Grad an Senilität zu wundern, den die leninistischen Formeln an den Tag legen.

Einige Kritikpunkte an der leninistischen Konzeption der Partei

Abgesehen von den Kritiken, die von bourgeoisen oder autoritären Elementen kamen, wurden die Haupteinwände gegen Lenins Thesen vom Rätekommunismus und vom Anarchismus formuliert. Obwohl der Rätekommunismus sich innerhalb der marxistischen Strömung zuschrieb, lehnte er sowohl die avantgardistische und autoritäre Konzeption Lenins als auch den sozialdemokratischen Kollaborationismus Bernsteins ab. Vielleicht ist eine der Besonderheiten der Kritik am Bolschewismus aus diesen Sektoren, die sich einer antiautoritären Vision der sozialen Revolution verschrieben haben, der prophetische Charakter vieler seiner Thesen in Bezug auf die spätere Entwicklung der Diktatur des Proletariats, oder besser gesagt, der Diktatur der sowjetischen Kommunistischen Partei.

Die Frage, die sich die deutschen und niederländischen Rätekommunisten stellten, lautete: Wer soll die Diktatur ausüben, das Proletariat als Klasse oder die Kommunistische Partei? Nach ihrer Auffassung gab es zwei kommunistische Parteien: die Partei der Bosse (die den Kampf von oben organisiert und führt und an der Macht teilnimmt) und die Partei der Massen (die von unten kämpft und Parlamentarismus und Kollaborationismus ablehnt). Laut einem ihrer Wortführer, dem Deutschen Karl Erler, „Die Arbeiterklasse kann den bürgerlichen Staat nicht zertrümmern ohne Vernichtung der bürgerlichen Demokratie, und sie kann die bürgerliche Demokratie nicht vernichten ohne die Zertrümmerung der Parteien.“ (Lenin, Der„Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus). Für Lenin war diese Position ein klares Beispiel für die „linke Kinderkrankheit“. Der bolschewistische Anführer antwortete auf diese Kritik mit Argumenten, die auch heute noch vertraut erscheinen:

„Verneinung des Parteibegriffs und der Parteidisziplin – das ist es, was bei der Opposition herausgekommen ist. Das aber ist gleichbedeutend mit völliger Entwaffnung des Proletariats zugunsten der Bourgeoisie. Das ist gleichbedeutend eben mit jener kleinbürgerlichen Zersplitterung, Unbeständigkeit und Unfähigkeit zur Konsequenz, zur Vereinigung, zu geschlossenem Vorgehen, die unweigerlich jede proletarische revolutionäre Bewegung zugrunde richten wird, wenn man ihr die Zügel schießen läßt. “ (Lenin, Der„Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus).

Wie Lenin glaubte, waren die Unterschiede zwischen den deutschen Rätekommunisten und den anarchistischen Vorschlägen fast nicht existent. Aber die Anarchisten verdienten nicht die Ehre, das Ziel seiner Angriffe zu sein, weil ihre Ablehnung des Marxismus und der Diktatur des Proletariats ihr petite bourgeoises ideologisches Wesen zeigte. „Die Weltanschauung der Anarchisten ist eine umgestülpte bürgerliche Weltanschauung. Ihre individualistischen Theorien und ihre individualistisches Ideal sind das gerade Gegenteil vom Sozialismus“ (Lenin, Sozialismus und Anarchismus, November 1905, Lenin Werke Band 10).

Einer der brillantesten Theoretiker des Rätekommunismus, der Niederländer Anton Pannekoek, argumentierte, dass:

„ (…) die alte Bewegung ist verkörpert in Parteien; der Glaube an die Partei ist das schwerste Hemmnis, das die Arbeiterklasse jetzt machtlos macht. Daher vermeiden wir es, eine neue Partei zu bilden; nicht, weil wir zu wenig sind – jede Partei mußte klein anfangen – sondern weil eine Partei jetzt eine Organisation bedeutet, die die Arbeiterklasse führen und beherrschen will. Demgegenüber stellen wir das Prinzip: die Arbeiterklasse wird nur emporkommen und siegen können, wenn sie selbst ihre Geschicke in die Hand nimmt. Die Arbeiter sollen nicht gläubig die Losungen eines Anderen, einer Gruppe übernehmen, auch nicht die unsrigen, sondern selbst denken, selbst handeln, selbst entschließen.“ (Partei und Klasse, geschrieben 1936, elektronische Ausgabe von CICA, 2005).4

Nachdem man den Klassenkampf als Parteikampf gesehen hat – so argumentierte Pannekoek -, wird es schwierig, ihn als Klassenkampf zu sehen. Außerdem ist die von den Bolschewiki vorgeschlagene Identität zwischen einer Partei (Menschen, die in ihren Auffassungen von gesellschaftlichen Problemen übereinstimmen) und einer Klasse (die Rolle der Menschen im Produktionsprozess) eine Fiktion, da Widersprüche nicht dazu neigen, zwischen ihnen gelöst zu werden, wie die unentschuldbare Realität des Auffindens von Arbeiterparteien die nicht aus Arbeitern bestehen und bourgeoiser Parteien, die aus Arbeitern bestehen, zeigt. Dieses Problem wird von Pannekoek in dem Satz aufgedeckt: „die Arbeiterklasse ist nicht schwach weil sie innerlich gespalten ist, sondern sie ist innerlich gespalten weil sie schwach ist“. Eine der Ursachen für diese Schwäche ist die Tätigkeit der parteiähnlichen Organisationen innerhalb der Arbeiterklasse. Es gibt einen Widerspruch im Begriff der revolutionären Partei, weil diese Parteien nach Form, Inhalt und Zielsetzung niemals revolutionär sein können. „Man könnte es anders sagen: in dem Wort „revolutionäre Partei“ bedeutet revolutionär immer eine bürgerliche Revolution. Immer wenn die Massen auftreten, um eine Regierung zu stürzen, und dann die Herrschaft einer neuen Partei überlassen, haben wir eine bürgerliche Revolution, die Ersetzung einer herrschenden Schicht durch eine neue frische herrschende Schicht.“ Das Ziel der Parteien ist es, die Macht für sich selbst zu ergreifen und zu deklamieren, dass die Revolution in diesem Akt besteht, anstatt zur Selbstbefreiung der proletarischen Klasse beizutragen. Mit meisterhafter Klarheit beschreibt Pannekoek revolutionäre Parteien:

„Solche Parteien, im Gegensatz zu dem oben Gesagten, müssen starre Gebilde sein, die sich fest abgrenzen, durch Mitgliedsbuch, Statut, Parteidisziplin, Aufnahme- und Ausschlußverfahren. Denn sie sind Machtapparate, kämpfen um die Macht, halten ihre Anhänger durch Machtmittel bei der Stange, und suchen ihre Ausdehnung, ihr Machtgebiet stetig zu erweitern. Ihre Aufgabe ist nicht, die Arbeiter zum Selbstdenken zu erziehen, sondern sie zu gläubigen Anhängern gerade ihrer Lehre zu dressieren. Während daher die Arbeiterklasse für ihre Machtentwicklung und ihren Sieg die unbeschränkteste Freiheit der geistigen Entwicklung braucht, muß die Parteiherrschaft alle anderen Meinungen als ihre eigene zu unterdrücken suchen. Bei „demokratischen“ Parteien geschieht das verhüllt, unter dem Scheine der Freiheit, bei den Diktatur-Parteien geschieht es durch offene brutale Unterdrückung.“ (Ebenda).

Die Partei ist also ein Hindernis für die Revolution, weil sie nicht als Mittel der Propaganda und der Aufklärung dient, sondern im Gegenteil, die Regierung ist ihre Hauptfunktion. Und jede selbsternannte revolutionäre Avantgarde, deren Absicht es ist, die Massen durch die revolutionäre Partei zu führen und zu beherrschen, ist ein reaktionäres Element.

Parteien sind bourgeoise Formen der Organisation und – wie Roi Ferreiro in Por qué necesitamos ser anti-partido (Warum wir gegen Parteien sein müssen)5 argumentiert – diese Parteien sind nichts anderes als der linke Flügel des linken Reformismus, die extreme Linke des Kapitals. Parteien existieren im Kampf und in Opposition zu anderen Parteien und rechtfertigen ihre Existenz genau in diesem Punkt; auf diese Weise erheben sie den Anspruch, exekutive Subjekte einer Klassenmacht zu werden. Die Parteien entstehen nicht aus dem Klassenkampf, sondern aus dem Glauben an eine Theorie über den Klassenkampf, aus einem Standpunkt außerhalb des Klassenkampfes. Und Ferreiro fügt hinzu: „Indem die Partei für die Veränderung der Machtverhältnisse kämpft, kämpft sie implizit dafür, einen Platz in diesen veränderten Machtverhältnissen einzunehmen – auch wenn sie theoretisch einen Machtverzicht in Betracht ziehen könnte.“. Und er schließt mit der Formel: Je mehr Macht die Partei hat, desto weniger reale Macht hat die Arbeiterklasse.

Dieser letzte Punkt ist besonders wichtig, weil er einige Ansätze von Sektoren des Anarcho-Parteientums einschließt – die wir bereits erwähnt haben -, glauben, dass sie, indem sie einfach die Machtergreifung aus ihrem Programm streichen, bereits das Gespenst des Leninismus und des Autoritarismus innerhalb ihrer Organisation heraufbeschworen haben. Es geht nicht um Worte oder Bedeutungen desselben Wortes. Es geht um diametral entgegengesetzte, man könnte sagen, sich gegenseitig ausschließende Vorstellungen von einem revolutionären Projekt.

Aus dem Anarchismus ist die Kritik am Bolschewismus verschwenderisch gewesen, aber wir werden hier nur einige von denen erwähnen, die sich auf die revolutionäre Partei beziehen. Die vielleicht am besten formulierte Kritik an der gesamten leninistischen Konzeption war die von Luigi Fabbri in seinem unverzichtbaren Werk Diktatur und Revolution. Dabei ging es aber mehr um die Widerlegung der marxistisch-leninistischen Thesen zur Diktatur des Proletariats als um die Kritik am parteilichen Charakter des Bolschewismus. Nichtsdestotrotz widerlegt Fabbri die Behauptungen der oben erwähnten anarchistischen Parteianhänger über die Durchführbarkeit der Bildung anarchistischer Parteiorganisationen rundweg:

„Die Anarchisten haben wenig Parteigeist; sie schlagen kein anderes unmittelbares Ziel vor als die Ausdehnung ihrer Propaganda. Sie sind weder eine Partei der Regierung noch eine Partei der Interessen – es sei denn, mit Interesse ist das von Brot und Freiheit für alle Menschen gemeint – sondern nur eine Partei der Ideen. Das ist ihre Schwäche, denn sie sind von jeglichem materiellen Erfolg ausgeschlossen, und die anderen, die schlauer oder stärker sind, nutzen die Teilergebnisse ihrer Arbeit aus und verwenden sie.

Aber das ist auch die Stärke der Anarchisten, denn nur indem sie sich ihren Niederlagen stellen, bereiten sie – die ewigen Besiegten – den endgültigen Sieg, den wirklichen Sieg vor. Da sie keine eigenen persönlichen oder gruppenspezifischen Interessen verfolgen und keinen Anspruch auf die Herrschaft über die Massen erheben, in deren Mitte sie leben und mit denen sie ihre Ängste und Hoffnungen teilen, geben sie ihnen keine Befehle, denen sie gehorchen müssen, sie verlangen nichts von ihnen, sondern sagen ihnen: Euer Glück wird so sein, wie ihr es schmiedet; die Rettung liegt in euch selbst; erobert sie durch eure geistliche Verbesserung, durch eure Opfer und euer Risiko. Wenn ihr es wollt, werdet ihr gewinnen. Wir wollen in diesem Kampf nicht mehr als ein Teil von euch sein.“

Nachdem wir Fabbri so ausführlich zitiert haben, wäre es wohl kaum nötig, hinzuzufügen, dass, wenn die Italiener Malatesta, Fabbri oder Berneri den Begriff Partei verwenden, sie sich nicht auf parteipolitische Organisationen beziehen, sondern auf die erwähnte Partei der Ideen. Nichts könnte weiter von der leninistischen Konzeption der Rolle der Avantgarde, der revolutionären Organisationen und der Rolle der Massen entfernt sein. Die Lektüre von Fabbris Werk ist nicht nur erhellend in Bezug auf die reaktionäre Qualität des Bolschewismus, sondern auch überraschend aktuell, da viele seiner Thesen über die Entwicklung der russischen Revolution einen fast vorahnenden Charakter haben und auch heute noch außerordentliche Gültigkeit finden, wenn sie auf vermeintliche „revolutionäre Prozesse“ wie den kubanischen Fall oder den bolivarischen in Chavez‘ Venezuela angewendet werden.

Während der russischen Revolution behielten die Anarchisten eine kritische Haltung gegenüber der Kommunistischen Partei und deren regierenden Handeln bei. Eines der radikalsten Sprachrohre des russischen Anarchismus war Golos Truda, eine von Wolin herausgegebene Zeitung. Die Anarchisten machten wütend auf die Willkür der Bolschewiki aufmerksam, die in die Autonomie der Fabrik- und Werkstattkomitees eingriffen und die Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter verhinderten. Die Moskauer Anarchosyndikalisten prangerten den bolschewistische Parteientum an, indem sie verkündeten: Es lebe die bevorstehende soziale Revolution! Schluss mit dem Gezänk der politischen Parteien! Nieder mit der konstituierenden Vollversammlung, in der sich die Parteien wieder um „Ansichten“, „Programme“, „Parolen“ – und um die Macht – streiten werden! Es leben die Sowjets in den Gemeinden, die sich nach neuen, wirklich revolutionären, arbeiterorientierten und parteilosen Prinzipien reorganisieren! (In Paul Avrich, The Russian Anarchists, S. 165).

Während der Oktoberrevolution konnten Parteien in den Sowjets und Arbeiterräten durch einzelne Delegierte vertreten sein, wodurch die Sowjets der Bauern, Arbeiter und Soldaten effektiv durch Sowjets der politischen Parteien ersetzt wurden (wobei letztlich nur die bolschewistische Partei übrig blieb). „Redner wie Lenin und Trotzki waren sicherlich keine Arbeiter oder Soldaten, geschweige denn Bauern. Sie wurden Anführer ihrer Räte kraft der Tatsache, dass sie Anführer ihrer Partei waren. Ihr Aufstieg zur Macht wurde durch jahrelange Parteiintrigen erreicht. Als Journalisten (wenn das ihr Beruf war) hatten sie wenig Chancen, die Sowjets der Typographen zu vertreten. Als Anführer ihrer Partei waren sie prominente Figuren“ (A. Meltzer-S. Christie, Anarchism and Class Struggle). Mehr als Journalisten, professionelle Revolutionäre, möchte man hinzufügen.

In Realität ist irgendeine Art von Organisation außerhalb der Fabrikkomitees, der Gewerkschaften/Syndikate, der Räte, der Kommunen, der Widerstandsgesellschaften, der Sowjets oder wie auch immer man die Einheit der populären Basisorganisation nennen mag, unvermeidlich. Man kann nicht die Augen verschließen und einfach behaupten, dass es keine politische Propaganda gibt. Für Anarchisten wird eine Unterstützungsorganisation von außen wichtig, aber das impliziert nicht die Notwendigkeit, Parteien zu bilden. Das heißt, die Mitglieder eines Fabrikkomitees, die Anarchisten sind, handeln innerhalb dieses Komitees als Arbeiter, mit anarchistischer ideologischer Zugehörigkeit; aber sie sprechen oder handeln nicht im Namen einer Organisation, noch müssen sie dieses Gremium bezüglich der zu beschließenden Politik konsultieren. Eine Organisation – auch ohne Anführer oder Chefs -, die als revolutionäre politische Partei innerhalb der Arbeiter- und Gemeindeorganisationen agiert, wird unweigerlich zu einem Phantomführer, einem hinter der Kulisse versteckten Puppenspieler, einem unsichtbaren Anführer, der durch den Kult der Organisation als Selbstzweck befeuert wird.

Wie die britischen Anarchisten Meltzer und Christie sagen, ist ein gewisses Maß an Sektierertum nicht nur notwendig, sondern auch positiv. Die Vortäuschung einer Einheit mit anderen linken Organisationen mit größerer Mitgliederzahl verwässert die Revolution eher, als dass sie sie intensiviert. „Der Kampf, der zählt, ist der Kampf, der hilft, eine neue Gesellschaft aufzubauen, und das kann nur durch eine individuelle revolutionäre Aktion oder die der Gruppe geschehen, die beharrlich ihre Propaganda durch Wort und Tat verbreitet. Wegen unseres Sektierertums mögen wir derzeit vom Rest der Welt getrennt sein. Aber im gegenteiligen Fall wären wir ein Teil dieser Welt. Wir akzeptieren nicht die absurde Behauptung des Trotzkismus, dass es notwendig sei, der Labour Party beizutreten, um mit der Arbeiterklasse in Kontakt zu sein“ (Ebenda).

Man könnte praktisch sagen, dass in der Definition des Begriffs Anarchist die Unmöglichkeit der Bildung von Parteiorganisationen impliziert ist. Es sollte klargestellt werden, dass dies nicht bedeutet, alle Formen der Organisation abzulehnen, wie es der überholte Individualismus behauptet. Vielmehr würden wir sagen, dass die Organisation ein Mittel ist, das den Charakter der Ziele annehmen muss, für die es errichtet wurde: Eine anarchistische Organisation ist ein Mittel, das anarchistische Ziele fördern muss, das heißt, sie muss die neue revolutionäre Gesellschaft vorwegnehmen. „Der libertäre Revolutionär kann nichts mit der parteipolitischen Organisation zu tun haben. Diese kann nur ein strategischer Ort der Macht sein oder ein Mahnmal vergangener Schlachten oder ein geistiges Ghetto. Sie unterliegt den impliziten Gefahren der Bürokratie oder der Vereinnahmung. Demokratische Kontrolle ist kein Schutz, denn auch wenn Mehrheitsentscheidungen als richtig akzeptiert werden, wird in der Praxis kontrolliert, was reingeht, so dass die Mehrheit mit den zu treffenden Entscheidungen einverstanden sein kann“ (Ebenda). Wenn wir die tatsächliche Praxis bestimmter anarcho-parteilicher und neoplattformistischer Kerne genauer untersuchen, werden wir sehen, wie im Namen der ideologischen Einheit und der Mechanismen der Selbstkontrolle jede Art von Dissens innerhalb dieser Organisationen praktisch unmöglich gemacht wird.

Am Anfang war die Plattform.

Es kann festgestellt werden, dass praktisch alle Varianten des Anarcho-Leninismus, des Anarcho-Bolschewismus und des Anarcho-Parteientums ihren Ursprung in der Organisationsplattform der Libertären Kommunisten6 haben, die 1926 von ukrainischen und russischen Anarchisten im Pariser Exil herausgegeben wurde und sich um die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift Dielo Truda (Die Sache der Arbeiter) gruppierte. Die beiden berüchtigtsten Mitglieder der Gruppe waren Pjotr Archinow und Nestor Makhno, der berühmte ukrainische Partisanenkommandant.

Obwohl das Dokument vom Redaktionskollektiv von Dielo Truda unterzeichnet wurde, wurde es fast vollständig von Pjotr Archinow verfasst, was aus einem Vergleich des Wortlauts des Textes der Plattform mit anderen Artikeln von ihm deutlich wird. Ebenso spiegelte das von Archinow entworfene Programm aufrichtig die Position des gesamten Redaktionskollektivs von Dielo Truda wider, das sich auch als Gruppe der russischen Anarchisten im Ausland zu bezeichnen pflegte. Tatsächlich war die Veröffentlichung der Publikation die offizielle Präsentation einer Reihe von Artikeln und vorangegangenen Diskussionen, die die Ursachen der Niederlage der russischen anarchistischen Bewegung durch die Bolschewiki analysierten und den Vorschlag zur Bildung von Misch- und Syntheseorganisationen, d.h. das Gruppieren der drei Hauptströmungen des anarchistischen Denkens in ihr, der von Volin, Sebastian Faure und anderen bekannten Anarchisten unterstützt worden war, scharf kritisierten. Diese Situation führte zu einem erbitterten Streit zwischen Volin, Fleshin und anderen russischen Anarchisten mit Archinow, Makhno und der Gruppe Dielo Truda, der nicht ohne Diffamierungen und Beleidigungen unter den Protagonisten verlief. Die Kritik der Plattform war heftig und bezog die prominentesten Figuren des internationalen Anarchismus mit ein, es genügt, Errico Malatesta, Luigi Fabbri, Camilo Berneri, Sebastian Faure, Max Nettlau, Alexander Berkman und Emma Goldman zu nennen. Schauen wir uns also an, was der Vorschlag der Organisationsplattform war, der eine so heftige Reaktion hervorrief.

Die Vorschläge der Organisationsplattform

Das von Dielo Truda veröffentlichte Dokument begann mit der Behauptung, dass die Schwäche der internationalen anarchistischen Bewegung darauf zurückzuführen sei, dass

„ (…) hat eine Reihe von Ursachen, von denen die wichtigste das Fehlen organisatorischer Prinzipien und Praktiken in der anarchistischen Bewegung ist.

In allen Ländern wird die anarchistische Bewegung von mehreren lokalen Organisationen repräsentiert, die widersprüchliche Theorien und Praktiken vertreten, keine Zukunftsperspektiven und keine Kontinuität in der militanten Arbeit haben und immer wieder verschwinden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.

Insgesamt lässt sich ein solcher Zustand des revolutionären Anarchismus nur als „chronische allgemeine Desorganisation“ beschreiben. Wie das Gelbfieber hat sich diese Krankheit der Desorganisation in den Organismus der Anarchisten und Anarchistinnen eingeschlichen und ihn seit Dutzenden von Jahren erschüttert.

(…)

Während der russischen Revolution von 1917 wurde das Bedürfnis nach einer allgemeinen Organisation am stärksten und dringendsten empfunden. Während dieser Revolution zeigte die libertäre Bewegung den größten Grad an Sektionalismus und Verwirrung.“

Sie argumentierten, dass dieser chaotische Zustand auf eine falsche Interpretation des Prinzips der Individualität zurückzuführen sei, die es mit Egoismus, politischer Gleichgültigkeit und dem Fehlen von Verantwortung verwechsle. All diese Behauptungen hatten zwar einen gewissen Wahrheitsgehalt, waren aber Verallgemeinerungen, die von den Autoren der Plattform maßlos übertrieben wurden, um ihre Position zu untermauern. Andererseits stützten sie sich bei solchen Verallgemeinerungen auf ihre eigenen Erfahrungen mit dem organisatorischen Versagen der russischen anarchistischen Bewegung. Die Situation der anarchistischen Bewegung in Ländern mit einer starken anarchosyndikalistischen Tradition, der bemerkenswerteste Fall ist die spanische Bewegung, kann nicht wirklich als ein Zustand „chronischer Desorganisation“ beschrieben werden.

Nicht nur individualistische Anarchisten waren das Ziel der Kritik der Gruppe Dielo Truda. Sie lehnten auch das von Volin und Faure vorgeschlagene Organisationsmodell ab, die sogenannten Synthese-Organisationen, die eine Zeit lang in der russischen Revolution als Nabat Konföderation funktioniert hatten und die es auch in Ländern wie Frankreich gab. Sogar die Anarchosyndikalisten waren das Ziel ihrer Kritik.

„Wir lehnen die Idee, eine Organisation nach dem Rezept der „Synthese“ zu gründen, d. h. die Vertreter verschiedener anarchistischer Strömungen zu vereinen, als theoretisch und praktisch ungeeignet ab. Eine solche Organisation mit heterogenen theoretischen und praktischen Elementen wäre nur eine mechanische Vollversammlung von Individuen, von denen jedes eine andere Auffassung von allen Fragen der anarchistischen Bewegung hat, eine Vollversammlung, die sich unweigerlich auflösen würde, wenn sie auf die Realität trifft.

Die anarchosyndikalistische Methode löst das Problem der anarchistischen Organisation nicht, da sie diesem Problem keine Priorität einräumt, sondern nur daran interessiert ist, in das Industrieproletariat einzudringen und dort an Stärke zu gewinnen.“

Sie schlugen stattdessen eine Allgemeine Anarchistische Union auf der Grundlage präziser taktischer, theoretischer und organisatorischer Positionen und streng diszipliniert nach dem Prinzip der kollektiven Verantwortung vor, auf der Basis eines eindeutigen und homogenen Programms. Das Ziel des Dokuments war es, eine Mindestplattform zu schaffen, auf der man sich beraten kann, um eine solche Organisation zu gestalten. Die Hauptpunkte, die Archinow, Makhno und ihren Gefährten als unausweichlich vorschlugen, waren:

1. Der Begriff des Klassenkampfes als zentral für die anarchistische Ideologie.

In dieser Aussage kam der Einfluss von Archinow – der bis 1906 Mitglied der bolschewistischen Reihen gewesen war – voll zum Ausdruck. Außerdem waren die marxistischen Einflüsse, die mit seinem anarchistischen Denken koexistierten, in einer Art unausgesprochenen Anarcho-Bolschewismus offensichtlich.

„Die gesamte Sozialgeschichte der Menschheit bis zum heutigen Tag stellt eine ununterbrochene Kette von Kämpfen der arbeitenden Massen für ihre Rechte, für Freiheit und für ein besseres Leben dar. In der Geschichte der menschlichen Gesellschaft war dieser Klassenkampf immer der Hauptfaktor, der die Form und Verfassung der Gesellschaft bestimmte.

Die soziale und politische Struktur eines jeden Landes ist vor allem ein Ergebnis des Klassenkampfes. Ihre Gestalt dient als Gradmesser dafür, welchen Punkt der Klassenkampf erreicht hat und in welchem Zustand er sich gerade befindet. Auch die kleinste Änderung im Verlauf des Klassenkampfs, in der Wechselbeziehung der miteinander kämpfenden Kräfte, ruft unverzüglich Veränderungen im Gewebe und im Aufbau der Klassengesellschaft hervor.

Das ist die allgemeine und universelle Bedeutung des Klassenkampfes im Leben der Klassengesellschaften.“

Diese Position ist der berühmten Aussage im Kommunistischen Manifest von Marx und Engels nicht unähnlich, dass die Geschichte der Menschheit die Geschichte des Klassenkampfes zwischen Ausbeutern und Unterdrückten ist. Das ist zwar eine unbestreitbare Wahrheit, aber es ist nicht weniger wahr, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist, sondern eine extrem enge, deterministische und reduktionistische Version der Geschichte. Diese Haltung zugunsten eines Klassismus7, der sich hauptsächlich auf die städtische und industrialisierte Arbeiterklasse beschränkte, offenbarte eine gewisse Engstirnigkeit und spielte die Bedeutung der bäuerlichen Situation in einem Land mit einer überwiegend ländlichen Bevölkerung herunter. Nichtsdestotrotz sind die Anspielungen auf die Arbeiterklasse in die Plattform oft verwirrend und wechselnd, denn manchmal scheint sie sich speziell auf die Arbeiterklasse zu beziehen, während sie dies in anderen Fällen in einem breiteren Sinne tut, der Bauern und Lohnarbeiter im Allgemeinen einschließen würde, oder als allgemeine Referenz auf die werktätigen Massen.

2. Die Idee, dass die Massen eine natürliche kreative und anarchische Fähigkeit haben.

Der Anarchismus wäre eine den Massen innewohnende Haltung, die die anarchistischen Denker, d.h. Bakunin, Kropotkin und andere, „fanden sie sie in den Massen vor und verhalfen ihr mit der Kraft ihrer Gedanken und ihres Wissens zur Entfaltung und Verbreitung.“ Das Dokument stellt ausdrücklich fest, dass es sich von den Bolschewiki unterscheidet, die „sind der Ansicht, dass die arbeitenden Massen lediglich zerstörerische revolutionäre Instinkte besitzen und schöpferischer revolutionärer Tätigkeit unfähig sind, weshalb diese schöpferische Tätigkeit Menschen anvertraut werden muss, die im Staat oder im Zentralkomitee einer Partei konzentriert sind“. Diese These der Redakteure von Dielo Truda steht im Widerspruch zu anderen Thesen, die sie in demselben Dokument vertreten, und die sie nicht von der vorgeworfenen Ansicht der Bolschewiki unterscheiden.

3. Der libertäre Kommunismus als Hauptidee8 der Bewegung.

Die von Archinow geführte Gruppe betrachtete den anarchistischen Individualismus als widerspenstig gegenüber Organisation, Disziplin und Verpflichtung, so dass seine Anhänger nicht einmal für die Bildung einer Allgemeinen Union der Anarchisten in Frage kamen, während der Anarcho-Syndikalismus als Mittel zum Zweck (anarchistischer Kommunismus) betrachtet wurde. Deshalb glaubten sie – nicht zu Unrecht -, dass es unmöglich sei, zu einer Synthese zu gelangen, wie sie Volin vorschlug, weil diese Aufteilung des Anarchismus in drei Zweige willkürlich/beliebig sei (Dielo Truda Nr. 10, März 1926). Diese Haltung der Plattformisten würde von den anarchistischen Kommunisten selbst, wie Luigi Fabbri, kritisiert werden, weil sie versuchten, alle anderen Tendenzen, die nicht mit ihrer eigenen übereinstimmten, aus der anarchistischen Bewegung auszuschließen. Ein weiteres Problem mit dem ausschließenden Festhalten am libertären Kommunismus war, dass er in seinem Versuch, die Bewegung zu vereinheitlichen, scheiterte, eben weil er die anderen Tendenzen nicht einbezog und damit seinen Hauptgrund für die Existenz verlor. Erinnern wir uns daran, dass es in dem Dokument hieß, dass „die Kräfte aller anarchistischen Militanten sollten auf die Schaffung dieser Organisation ausgerichtet sein “, d. h. der Allgemeinen Union der Anarchisten.

4. Eine Allgemeine Union der Anarchisten zu bilden, die auf ideologischer Einheit, taktischer Einheit und kollektiver Verantwortung beruht; und ein Aktionsprogramm zu verwirklichen, das durchzuführen ist.

Dies war eine der Fragen, die die meiste Ablehnung und Anfechtung hervorrief. Diese drei strittigen Punkte wurden von den Plattformisten knapp definiert und mussten in späteren Dokumenten erweitert werden. Die grundlegenden Prinzipien der Organisation der Allgemeinen Union der Anarchisten waren:

1- Theoretische Einheit:

Die Theorie ist die Kraft, die die Aktivitäten von Personen und Organisationen auf einen bestimmten Weg und ein bestimmtes Ziel lenkt. Natürlich sollte sie allen Personen und Organisationen, die der Allgemeinen Union angehören, gemeinsam sein. Alle Aktivitäten der Allgemeinen Union, sowohl im Allgemeinen als auch in ihren Details, sollten in perfekter Übereinstimmung mit den theoretischen Prinzipien der Union stehen.

2. Die taktische Einheit oder die kollektive Methode der Aktion:

Ebenso sollten die taktischen Methoden der einzelnen Mitglieder und Gruppen innerhalb der Union einheitlich sein, d. h. sie sollten sowohl untereinander als auch mit der allgemeinen Theorie und Taktik der Union in strikter Übereinstimmung stehen.

Eine gemeinsame taktische Linie in der Bewegung ist von entscheidender Bedeutung für die Existenz der Organisation und der gesamten Bewegung: Sie beseitigt die verhängnisvolle Wirkung mehrerer gegensätzlicher Taktiken, bündelt alle Kräfte der Bewegung und gibt ihnen eine gemeinsame Richtung, die zu einem festen Ziel führt.

3. Kollektive Verantwortung:

Die Praxis, auf eigene Verantwortung zu handeln, sollte in den Reihen der anarchistischen Bewegung entschieden verurteilt und abgelehnt werden. Die Bereiche des revolutionären Lebens, sozial und politisch, sind vor allem von Natur aus zutiefst kollektiv. Die sozialrevolutionäre Tätigkeit in diesen Bereichen kann nicht auf der persönlichen Verantwortung einzelner militanter Personen beruhen.

Das Exekutivorgan der allgemeinen anarchistischen Bewegung, die Anarchistische Union, wendet sich entschieden gegen die Taktik des unverantwortlichen Individualismus und führt in ihren Reihen das Prinzip der kollektiven Verantwortung ein: Die gesamte Union ist für die politische und revolutionäre Tätigkeit jedes Mitglieds verantwortlich; ebenso ist jedes Mitglied für die politische und revolutionäre Tätigkeit der Union als Ganzes verantwortlich.“

Ein vierter Punkt bekräftigte die Notwendigkeit des Föderalismus, der Unabhängigkeit der Individuen und der Dezentralisierung, fuhr aber fort, dass „In den Reihen der Anarchisten wurde das föderalistische Prinzip jedoch oft deformiert: Es wurde zu oft als das Recht verstanden, vor allem sein „Ich“ zu manifestieren, ohne die Verpflichtung, über die Pflichten gegenüber der Organisation Rechenschaft abzulegen.

Diese falsche Interpretation hat unsere Bewegung in der Vergangenheit desorganisiert. Es ist an der Zeit, ihr auf entschlossene und unumkehrbare Weise ein Ende zu setzen.

Föderation bedeutet die freie Übereinkunft von Individuen und Organisationen, kollektiv auf gemeinsame Ziele hinzuarbeiten.“. Dieser übertriebene Vorbehalt der Plattformisten ermöglichte es ihnen zu behaupten, dass der einzige richtig verstandene Föderalismus der ihre sei.

5. Einrichtung eines Exekutivkomitees; ideologische Führung, Avantgarde, Führung und Entscheidungsfindung durch Mehrheitsentscheidung. Obwohl die Plattform ausdrücklich erklärt, dass sie nicht nach politischer Macht oder Regierung strebt, sondern dass das Hauptbestreben des Anarchismus darin bestehen muss, den Massen zu helfen, ihre Emanzipation für den Aufbau des Sozialismus zu erreichen, widerspricht sie sofort dieser Aussage und der oben geäußerten Vorstellung über die natürliche schöpferische Fähigkeit der Massen:

„Obwohl sich in den sozialen Massenbewegungen zutiefst anarchistische Tendenzen und Losungen manifestieren, sind diese Tendenzen und Losungen zerstreut, es fehlt ein Medium, das sie miteinander verbindet. Daher können sie nicht auf organisierte Art und Weise die leitende ideelle Kraft entfalten, die für die Beibehaltung der anarchistischen Ausrichtung und des anarchistischen Ziels der sozialen Revolution notwendig ist. Nur ein von den Massen eingerichtetes spezielles Ideenkollektiv kann diese führende ideelle Kraft werden. Die organisierten anarchistischen Kräfte und die organisierte anarchistische Bewegung werden dieses Kollektiv bilden.

(…) In all diesen und vielen anderen Fragen verlangen die Massen von den Anarchisten klare und genaue Antworten. Und wenn die Anarchisten mit der Idee der anarchistischen Revolution und des anarchistischen Aufbaus der Gesellschaft antreten, werden sie verpflichtet sein, auf all diese Fragen genaue Antworten zu geben, die Lösung dieser Fragen mit der allgemeinen Idee des Anarchismus zu verbinden und all ihre Kräfte für ihre Umsetzung einzusetzen.

Nur so werden die Allgemeine Anarchistische Union und die anarchistische Bewegung ihre führende ideelle Rolle in der sozialen Revolution ausfüllen können. (Hervorhebung von uns hinzugefügt)“.

Es ist dieser Anspruch, eine „von den Massen geschaffene Organisation“9 zu werden, um als theoretischer Anführer für die zerstreuten und unorganisierten Massen zu fungieren, die eine „klare und präzise Antwort“ von den Anarchisten „verlangen“, die die plattformistischen und leninistischen Ansätze einander näher bringen. Hier sehen wir die Funktion der Parteiorganisation in ihrer vollen Dimension wieder auftauchen, als Anführer des revolutionären Instinkts der Massen und als die einzig zulässige theoretische Linie. Das heißt, die viel gepriesene Kreativität der Massen und ihre angeborene Fähigkeit zum libertären Sozialismus scheinen nur unter der Führung der anarchistischen Parteiorganisation eine wichtige Rolle zu spielen; hier zeigt sich der Anarcho-Leninismus verschleiert in einer gekünstelten anarchistischen Rhetorik.10 Diese von den Plattformisten vorgeschlagene Vorstellung von Führung und Leitung manifestiert sich in der Organisationsform, die in einem Exekutivkomitee mit klarer hierarchischer Ausrichtung zentralisiert ist, was in eklatantem Widerspruch zu föderalistischen Prinzipien steht.

Jede Organisation, die der Union angehört, stellt eine Lebenszelle des gemeinsamen Organismus dar. Jede Zelle muss ihren Sekretär haben, der die politische und technische Arbeit der Organisation theoretisch ausführt und leitet.

Zur Koordinierung der Tätigkeit aller der Union angeschlossenen Organisationen wird ein besonderes Organ geschaffen: das Exekutivkomitee der Union. Das Komitee hat folgende Aufgaben: die Ausführung der ihm anvertrauten Beschlüsse der Union; die theoretische und organisatorische Leitung der Tätigkeit der einzelnen Gruppen in Übereinstimmung mit den theoretischen Positionen und der allgemeinen taktischen Linie der Union; die Aufrechterhaltung der Arbeits- und Organisationsbeziehungen zwischen den Organisationen in der Union und den anderen Organisationen.

Die Allgemeine Anarchistische Union unterschied sich kaum von einer politischen Partei, abgesehen von der ausdrücklichen Weigerung, eine Regierung zu bilden, aber ohne auf eine führende Rolle über die Massen, über die Gewerkschaften/Syndikate und Arbeiterräte, mittels eines zentralisierten Exekutivkomitees zu verzichten.

6. Die Rolle der Gewerkschaften/Syndikate.

Für die Plattformisten war die syndikalistische Bewegung das Hauptmittel des Kampfes, aber da sie keine eigene revolutionäre Theorie hatte, war es unerlässlich, sie in eine libertäre Richtung zu lenken. Der Anarcho-Syndikalismus erschien den Platformisten als unvollständig und unfähig, die Arbeiterbewegung zu anarchisieren. Die Taktik der Plattform für die Gewerkschaften/Syndikate unterschied sich nicht von derjenigen der leninistischen Parteien.

„Die Aufgabe der Anarchisten in den Reihen der revolutionären Arbeiterbewegung kann nur unter solchen Bedingungen erfüllt werden, dass ihre Arbeit eng mit der Tätigkeit der anarchistischen Organisation außerhalb der Gewerkschaft/Syndikat verknüpft und verbunden ist. Mit anderen Worten, wir müssen in die revolutionäre syndikalistische Bewegung als eine organisierte Kraft eintreten, die für die Durchführung ihrer Arbeit in der Gewerkschaft/Syndikat gegenüber der allgemeinen Organisation der Anarchisten verantwortlich ist und sich an letzterer orientiert.

Ohne uns auf die Schaffung anarchistischer Gewerkschaften/Syndikate zu beschränken, müssen wir versuchen, unseren theoretischen Einfluss in allen Gewerkschaften/Syndikate, in all ihren Formen (die IWW, die russische TU) auszuüben. Wir können dieses Ziel nur erreichen, indem wir in rigoros organisierten anarchistischen Gruppen arbeiten; aber niemals in kleinen empirischen Gruppen, ohne organisatorische Verbindungen oder theoretische Übereinstimmung zwischen ihnen (von uns unterstrichen)“.

Dieser Vorschlag ist dem Dirigismus nicht unähnlich, den die Bolschewiki auf die Sowjets anwendeten und sie zu Anhängseln der Kommunistischen Partei machten. Mit anderen Worten, es sind nicht die Arbeiter, die als solche frei entscheiden, sondern die Linie wird von einer Organisation außerhalb der Gremium oder des Arbeiterrates induziert, infiltriert oder aufgezwungen.

7. Die Frage der Verteidigung der Revolution.

Auf der Grundlage ihrer Erfahrungen während der russischen Revolution und ihrer Teilnahme am revolutionären Krieg in der Ukraine schlug die Gruppe um Makhno und Archinow die Schaffung einer Armee zur Verteidigung der Revolution gegen die unvermeidliche Reaktion der Bourgeoisie vor.

„Wie in allen Kriegen kann der Bürgerkrieg von den Arbeitern nicht erfolgreich geführt werden, wenn sie nicht die beiden Grundprinzipien aller militärischen Aktionen anwenden: Einheit im Operationsplan und Einheit des gemeinsamen Kommandos. Der kritischste Moment der Revolution wird kommen, wenn die Bourgeoisie als organisierte Kraft gegen die Revolution marschiert. Dieser kritische Moment zwingt die Arbeiter dazu, diese Prinzipien der militärischen Strategie zu übernehmen.

So müssen sich die Streitkräfte der Revolution angesichts der militärstrategischen Notwendigkeiten neben der Strategie der Konterrevolution zwangsläufig auf eine allgemeine revolutionären Armee mit einem gemeinsamen Kommando und Operationsplan stützen.“

Theoretisch würde diese Armee der Gerichtsbarkeit der produktiven Organisationen der Arbeiter und Bauern unterstehen, was nach einem unanwendbaren Formalismus klingt. Wie die Unterzeichner des Dokuments warnten, sollte die Schaffung einer Armee nicht als eine prinzipielle, sondern als eine strategische Angelegenheit betrachtet werden, zu der die Arbeiter bei der Verteidigung der Revolution „fatalerweise gezwungen“ sein würden, Zuflucht zu nehmen.

Bisher haben wir die grundlegenden Argumente, die in der Organisationsplattform der Libertären Kommunisten vorgebracht werden, kurz überprüft. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten, nicht nur im Kreis der russischen Geflüchteten, sondern auch bei den Gefährten in anderen Ländern.

Reaktionen gegen die Plattform.

Dielo Trudas Dokument provozierte einen Ansturm von kritischen Reaktionen, einige unbeherrscht, andere besonnen. Unter den geflüchteten russischen Anarchisten nahm der Aufruhr skandalöse Ausmaße an, als man begann, gegenseitige Beschuldigungen zwischen ehemaligen Kampfgefährten zu erheben.

Von Volins Gruppe wurde deutlich gemacht, dass die Plattform ein Tribut an die bolschewistische Ideologie sei, und es wurde auf die Vergangenheit Archinows verwiesen, der, bevor er sich 1906 dem Anarchismus anschloss, in den Reihen der Bolschewiki gekämpft hatte; er habe sich nie von Lenins Ideen distanziert. Andererseits behauptete Makhno, dass Volin 1919 zu den Kommunisten übergelaufen sei, als er von der Roten Armee gefangen genommen wurde. Alexander Berkman kam zu Volins Verteidigung und beschuldigte Makhno, ein militaristisches Temperament zu besitzen und moralisch von Archinow beherrscht zu werden. Von letzterem sagte er, dass „sein Charakter völlig bolschewistisch ist“; „er hat einen herrschsüchtigen, willkürlichen und tyrannischen Charakter. All dies wirft ein neues Licht auch auf die Organisationsplattform“ (P. Avrich; The Russian Anarchists: 247). Die Plattform wurde als anarcho-bolschewistische Abweichung und als Verfechterin eines parteilichen Anarchismus angesehen.

Die Niederlage, das elendige Exil und die Gewissheit einer unheilvollen Zukunft zehrten an der Gruppe der russischen Geflüchteten: Persönliche Rivalitäten flammten unter den alten Revolutionären auf; Zwietracht hatte den Raum der Gefährtenschaft eingenommen und brachte dem russischen Anarchismus einen schmerzhaften Tiefschlag.

Die Kritik von Volin, Fleshin und anderen russischen Geflüchteten.

Im April 1927 wurde die Antwort auf das Dokument von Dielo Truda auf Russisch und Französisch veröffentlicht, die erste Intervention in einer langen Reihe von Debatten über die Rolle der anarchistischen Organisation. Die Antwort wurde mit folgendem Satz eingeleitet: „Wir stimmen mit den Aussagen der Plattform nicht überein…“, was den kritischen Tenor des Dokuments im Anschluss daran offenbart. Er fuhr mit einer ausdrücklichen Zurückweisung der Beweggründe fort, auf die die Gruppe Dielo Truda ihren Vorschlag stützte: dass die Schwäche der anarchistischen Bewegung auf das Fehlen von Organisationsprinzipien zurückzuführen sei. Ohne die Notwendigkeit einer Organisation abzulehnen, war Volins Gruppe der Ansicht, dass die Plattform „die Bedeutung der Rolle der Organisation überbetonte“ und eine zentralisierte Partei gründete, die eine politische und taktische Linie für die anarchistische Bewegung einführen würde.

Zusätzlich zur Ablehnung der Idee des Synthese-Anarchismus, wie sie in der Plattform dargelegt wurde, argumentierte Volins Gruppe, dass die Idee des Klassenkampfes als die einzig gültige für den Anarchismus vorzuschlagen und dabei humanistische und individualistische Prinzipien abzulehnen, die Idee einengen und auf einen einzigen Standpunkt beschränken würde.

„Der Anarchismus ist komplexer, synthetischer und vielfältiger, wie das Leben selbst. Ihre Klassenkomponente besteht vor allem im Kampf um Befreiung; ihr humanitärer Charakter macht ihren ethischen Aspekt und die Grundlage der menschlichen Gesellschaft aus; ihr Individualismus, den Menschen als Ziel“.

In Bezug auf die Rolle der Massen wurde in der Antwort argumentiert, dass die These der Plattform folgendermaßen zusammengefasst werden kann: Die Massen müssen geführt werden. Im Gegensatz dazu argumentierten Volin und Co., dass Anarchisten nicht die Massen führen, sondern aus den Massen heraus handeln sollten. Die plattformistische Perspektive unterschied sich in diesem Punkt nicht von der der politischen Parteien, denn sie teilte mit ihnen ähnliche Annahmen: a) die Massen müssen geführt werden, b) die bewusste, von den Massen getrennte Minderheit muss die Initiative ergreifen, c) dieses Kollektiv muss in einer Partei organisiert werden, die die Initiative in allen Bereichen der Revolution ergreifen muss.

„Anarchisten und spezifische Organisationen (Gruppen, Föderationen, Konföderationen) können nur ideologische Hilfe anbieten, ohne die Rolle eines Anführers zu übernehmen.“ Die geringste Andeutung von Führerschaft, Überlegenheit oder Führung über die Massen würde zu einer Akzeptanz und Unterwerfung unter eine von der Basis getrennte Führung führen.

Ein weiterer Punkt der Plattform, der in der Antwort abgelehnt wurde, war die obligatorische Annahme bestimmter Entscheidungen, deren Verweigerung zu Sanktionen führen würde; dies würde „den Beginn von Zwang, Gewalt und Strafen“ bedeuten. Folglich lehnte die Gruppe um Volin die Idee ab, die Rede- und Pressefreiheit zur Verteidigung der Revolution „in spezifischen Momenten“ zu kontrollieren, wie es die Plattformisten vorschlugen: Wer würde diese Grenzen auferlegen, wer würde die spezifische Momente bestimmen, wenn die Zeit gekommen ist, wer würde diese Entscheidungsgewalt haben: Autorität und Macht würden rehabilitiert, auch wenn sie mit anderen Namen bezeichnet würden.

Im Hinblick auf die Verteidigung der Revolution argumentierte Volins Gruppe, dass der Vorschlag der Plattform für eine von einem zentralisierten Kommando geführte Armee sowohl einen technischen als auch einen politischen Irrtum enthielt. Der technische Irrtum bestand darin, zu glauben, dass eine solche Armee zur Verteidigung der Revolution geeignet ist, einfach wegen ihrer Zentralisierung. Die Aufstellung eines allgemeinen Aktionsplans, der von einem zentralisierten Kommando ausgearbeitet wurde, ist nicht jenseits der Gefahr, die Revolution in die Niederlage zu führen. Eine zentralisierte Armee konnte genauso ineffektiv und ineffizient sein wie isolierte und verstreute unkoordinierte Einheiten. Der politische Irrtum wäre, dass ein zentralisiertes Kommando regionale und individuelle Initiativen entmutigen würde; es würde auch einen überwältigenden Militärapparat hervorbringen und eine Tendenz, die spezialisierte Kommandozentrale als unfehlbar zu betrachten. Infolgedessen würde die zentralisierte Armee mit großer Wahrscheinlichkeit aufhören, „revolutionär“ zu sein und zu einem Werkzeug der Reaktion werden, wie es bei der Roten Armee geschehen war. Wenn die Massen die Initiative ihres Handelns verlieren, kann nichts sie ersetzen. Keine Armee, kein Apparat und keine Tscheka – wie es die bolschewistische Auffassung ist – wird die Revolution vor den Machenschaften der Bourgeoisie retten, wenn das selbstorganisierte Volk in den Waffen versagt.

Schließlich konzentrierte sich die Kritik auf die Formen und die Rolle, die die anarchistische Organisation übernehmen sollte. Die Plattform schlug vor, den theoretisch-praktischen Widersprüchen, der ideologischen Inkohärenz und der organisatorischen Zersplitterung, die sie in der anarchistischen Bewegung wahrnahm, ein Ende zu setzen, indem sie eine theoretische und taktische Einheit anstrebte. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass man sich darauf einigte, was von der Vielfalt der anarchistischen Ideen beibehalten und was aufgegeben werden sollte, um die „theoretischen Widersprüche“ zu reduzieren, um eine homogene und kohärente Ideologie zu bilden. Dadurch würde eine einzige Organisation entstehen, die diejenigen ausschließt, die mit ihrem Programm nicht einverstanden sind. Aber der plattformistische Plan, die ideologische und taktische Einheit der Anarchisten zu erreichen, würde genau deshalb scheitern, weil er weit davon entfernt ist, eine Einheit zu erreichen, sondern eher feindliche Beziehungen zu denjenigen anarchistischen Organisationen erzeugen würde, die anderer Meinung sind. Anstelle von Einheit und Verständnis würden Zwietracht und Konfrontation herrschen. Und dann würde der Hauptzweck der Plattform, der darin bestand, eine Organisation zu bilden, die alle Anarchisten auf derselben Basis zusammenbringt, scheitern: Es würde weiterhin nicht eine, sondern mehrere Organisationen geben.

Eine Organisation, die ernst genommen werden will, muss darauf achten, ihre Rolle und Ziele klar zu definieren. Laut der Plattform besteht die Aufgabe der spezifischen Organisation darin, die Massen zu führen. „Die Gegenüberstellung des Begriffs führen mit dem Adverb ideologisch ändert die Position der Autoren der Plattform nicht wesentlich, da sie die Organisation als disziplinierte Partei begreifen. Wir lehnen jeden Gedanken ab, dass Anarchisten die Massen führen sollten“.

Die Autoren der Antwort wiesen auch auf einen eklatanten Widerspruch hin. Während die Vorstellungen der Plattform denen jeder politischen Partei ähneln, d.h. das Vorhandensein eines zentralisierten Exekutivkomitees, das die ideologische und taktische Führung übernimmt, „bekräftigt sie gleichzeitig ihren Glauben an das föderative Prinzip, was in absolutem Widerspruch zu den oben zitierten Ideen steht“, da Föderalismus Autonomie an der Basis, in den lokalen und regionalen Gruppen bedeutet. Während die Notwendigkeit des Zentralismus, der Parteidisziplin, der Führungsrolle gegenüber den Massen, der theoretischen und taktischen Einheit, die durch ein Komitee skizziert wird, und die Notwendigkeit einer zentralisierten Armee gepriesen werden, wird der Föderalismus beschworen, um das Gespenst der Zentralisierung heraufzubeschwören. Wie Volin und Co. betonten, sind die Autoren der Plattform „nur einen Schritt vom Bolschewismus entfernt, einen Schritt, den sie nicht gewagt haben“.

Weitere Erwiderungen zur Plattform.

An der Debatte über die Rolle und das Wesen der von der Plattform vorgeschlagenen anarchistischen Organisation beteiligten sich namhafte militante Anarchisten, von denen die überwiegende Mehrheit eine ablehnende Haltung gegenüber dem Dokument von Dielo Truda einnahm. Parallel zu der von Volin, Fleshin, Sobol und anderen russischen Geflüchteten unterzeichneten Antwort veröffentlichten auch Sebastian Faure und Jean Grave ihre Kritik in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen, während Max Nettlau am 30. Mai 1927 das Projekt zur Konstituierung einer anarchistischen Partei veröffentlichte.

Italienische Anarchisten diskutierten die Plattform eingehend und schrieben mehrere Artikel, von denen die meisten ihre Annahmen in Frage stellten, wie im Fall von L. Galleani mit seinem Artikel Das Organisationsprinzip im Lichte des Anarchismus, von Malatesta mit einem Artikel in Le Reveil von Genf im Oktober 1927 und Interventionen der Gruppe Pensiero e Volontá, der Persönlichkeiten wie Luiggi Fabbri, Ugo Fedeli und Camillo Berneri angehörten.

Fabbris Artikel – ursprünglich auf Italienisch bei Il Martello in New York im September 1927 veröffentlicht und in Buenos Aires von La Protesta reproduziert – trug den Titel Acerca de un Proyecto de Organización Anarquista – Über einen Projekt der anarchistischen Organisation. Fabbri argumentierte, dass die Plattform zu ideologisch, unpraktisch und unrealistisch sei, dass sie außerdem axiomatische Ansichten zu bestimmten Themen festlege, bei denen es schwierig sei, eine Einheit der Kriterien zu erreichen. Während die Notwendigkeit einer anarchistischen Organisation völlig gerechtfertigt sei, so Fabbri, „ist es dennoch aus der Einleitung klar, dass der Geist der Plattform einen übermäßigen Exklusivismus enthält, der dazu neigt, alle Strömungen, die nicht mit ihr übereinstimmen, aus der anarchistischen Bewegung auszuschließen, nicht nur in praktischen, sondern auch in ideologischen Fragen“. Andere Varianten des anarchistischen Denkens wie den Anarchosyndikalismus zugunsten einer „rigorosen Parteieinheit, einer ideologischen und strategischen Einheit“ auszuschließen, wäre ein schwerer Fehler, der eine interne Strömung in etwas Fremdes und Widriges verwandelt.

Auch in Bezug auf Einheit und Vielfalt innerhalb der anarchistischen Bewegung kam Fabbri zu dem Schluss, dass die Vorgabe, eine Allgemeine Anarchistische Union zu bilden, „die die Allgemeinheit der Anarchisten repräsentieren und von dieser Allgemeinheit diejenigen ausschließen würde, die ihr nicht angehören, in Wirklichkeit immer eine partikulare und niemals eine allgemeine Organisation wäre“. Das wäre gleichbedeutend damit, einen Teil mit dem Ganzen zu verwechseln, partikulare Gründe als den ausschließenden Grund zu nehmen, keine anarchistische Bewegung jenseits der Organisation selbst zu sehen.

Ein weiterer unglücklicher Punkt der Plattform war es, den Klassenkampf zum Hauptmerkmal des Anarchismus zu machen und „seine humanitäre Bedeutung und sein Ziel auf seinen minimalen Ausdruck zu reduzieren.“ Der Klassenkampf ist eine unbestreitbare Tatsache, aber er entspricht nur der Methode und der revolutionären Aktion des Anarchismus, dessen grundlegender Charakter darin besteht, die soziale und individuelle Freiheit zu bejahen, indem er jede aufgezwungene Autorität und jede Regierung ablehnt. Die von den Anarchisten vorgeschlagene Vergesellschaftung wird „zum Nutzen aller Menschen sein, so dass die einen aufhören, die Ausbeuter der anderen zu sein“.

Fabbri stimmt auch nicht mit der Idee überein, dass die Massen eine angeborene anarchische kreative Fähigkeit besitzen. Es ist nicht die Klassenbedingung der Massen, die sie revolutionär macht, sondern sie sind es in dem Maße, wie sie anarchisch handeln. Auf jeden Fall, so stellt er klar, kann es in diesem Punkt Meinungsverschiedenheiten unter Anarchisten geben, und es wäre völlig sinnlos, ihn in irgendeiner Weise zu dogmatisieren. Man kann sich darauf einigen, dass Anarchisten sich am Kampf der ausgebeuteten Klassen zur Beendigung des Kapitalismus beteiligen. „Darin sind wir uns alle einig, ohne Unterschied: über den Rest können wir streiten, aber wir werden dies nicht zum Argument für eine echte und richtige Parteispaltung machen.“

Der Punkt in der Plattform, den Fabbri für die größte Abweichung von der anarchistischen Ideologie hält, ist der Führungsanspruch der spezifischen anarchistischen Organisation über die Arbeiterbewegung, der zur Errichtung einer herrschenden Kaste oder – im schlimmsten Fall – einer anarchistischen Diktatur über das Proletariat führen könnte, ein echter Widerspruch in sich. Selbst wenn die Autoren der Plattform behaupten würden, dass sich die Führungsfunktion auf ideologische Anleitung beschränken würde, würde sich diese Situation zu einer de facto Führung einer anarchistischen Minderheit – einer Art „Generalstab“ – über die Massen entwickeln. „Andernfalls wäre es nicht möglich, den Unterschied zu erklären, den die Plattform zwischen den mit anarchistischer Ideologie imprägnierten Massenorganisationen und der eigentlichen anarchistischen Organisation macht. Ein Unterschied, der in der Praxis nicht spezifiziert werden konnte, da es nicht möglich ist, den Grad des Anarchismus der Ersteren im Vergleich zu den Letzteren festzustellen, noch die Legitimität der Führung oder die Überlegenheit der Letzteren über die Ersteren zu sanktionieren.“

Berneri veröffentlichte im Dezember desselben Jahres auch einen Artikel in der Pariser Zeitung Lotta Umana, der sich kritisch mit der Position von Dielo Truda auseinandersetzte. Seine Position ist von vornherein klar: „Ich bin mit der Plattform überhaupt nicht einverstanden“. Wie für Fabbri, sind die Massen nicht die Träger einer angeborenen revolutionären Fähigkeit,

„in der populären aufständischen Aktion sehe ich mehr anarchistische „Effekte“ als anarchistische „Instinkte“; ich glaube nicht, dass sich die Funktion der Anarchisten in der Revolution darauf beschränken sollte, „die Hindernisse zu unterdrücken“, die sich der Manifestation des Willens der Massen entgegenstellen; ich sehe große Gefahren und nicht wenige Schwierigkeiten in den kommunalen und korporativen Egoismen“.

Worauf Berneri hinweist, sind die Komplexität des sozialen Lebens und die regionalen oder kulturellen Partikularismen konservativer Natur, die in allen menschlichen Gesellschaften zu finden sind und deren Verhalten die Plattform durch die Universalisierung eines vermeintlichen Verhaltens der Masse zu stark vereinfacht.

„Wenn die anarchistische Bewegung nicht den Mut aufbringt, sich als geistig isoliert zu betrachten, wird sie nicht lernen, als Initiator und Impulsgeber zu wirken. Wenn sie nicht die politische Intelligenz erlangt, die aus einem rationalen und ruhigen Pessimismus (der in der Tat der Sinn für die Realität ist) und aus einer aufmerksamen und klaren Prüfung der Probleme geboren wird, wird sie nicht wissen, wie sie ihre Kräfte vervielfachen kann, indem sie einen Konsens und eine Zusammenarbeit unter den Massen findet.

Es ist notwendig, aus der Romantik herauszukommen. Um die Massen, würde ich sagen, in Perspektive zu sehen. Es gibt keine homogene Bevölkerung, sondern unterschiedliche Menschen, Kategorien. Es gibt nicht so etwas wie den revolutionären Willen der Massen, sondern revolutionäre Momente, in denen die Massen enorme Hebel sind.

Bei den Menschen zu sein ist einfach, wenn es darum geht, zu rufen: Es lebe! Nieder mit! Vorwärts! Es lebe die Revolution, oder ob es einfach nur darum geht, zu kämpfen. Aber es kommt die Zeit, in der sich jeder fragt: Was machen wir? Es ist notwendig, eine Antwort zu geben. Nicht, um der Chef zu sein, sondern damit die Leute diesen nicht glauben (A.d.Ü., gemeint ist der Chef).

„Einheitliche Taktik“ bedeutet uniform und kontinuierlich. Die Plattform ist durch die Vereinfachung des Problems der anarchistischen Aktion innerhalb der Revolution zur „einheitlichen Taktik“ gelangt.“

Berneris Position ist von den demagogischen Anflügen, die sich in der Idealisierung der Massen durch die Plattform zeigen, ebenso weit entfernt wie von dem verborgenen Leninismus, der ihm in einem giftigen Artikel des Neo-Plataformisten José Antonio Gutiérrez zugeschrieben wird, eine Idee, die in Wirklichkeit eine Projektion seines eigenen Denkens ist. Auch seine Version der angeblich schlechten Qualität der Übersetzung der Plattform, Volins Übersetzung aus dem Russischen ins Französische, die von den italienischen Genossen zur Verfügung gestellt wurde, ist nicht glaubwürdig, um Berneris Interpretation zu desavouieren, da Volin ein geeigneter Übersetzer war. Darüber hinaus ist sein Vorwurf, „die Übersetzung so voreingenommen wie möglich zu gestalten“, lächerlich und beleidigt die Intelligenz derer, die er zu verteidigen oder zu rechtfertigen vorgibt.

Selbst in Buenos Aires waren die Erschütterungen der von Dielo Truda angestoßenen Debatte zu spüren. In der vierzehntägigen Beilage von La Protesta wurde der Text der Plattform (dessen Urheberschaft direkt Archinow zugeschrieben wird) episodisch veröffentlicht. In Fußnoten zur Erzählung drückte die Redaktionsgruppe ihre Ablehnung der Thesen der Plattform aus. In der Beilage Nr. 257 vom 15. Februar 1927 wird die angeblich chaotische Situation der internationalen anarchistischen Bewegung als nicht der Realität entsprechend relativiert, vor der Übertreibung der „individualistischen Gefahr“ in dem Dokument gewarnt, der Bakunin zugeschriebene Organisationsfetischismus widerlegt, die Behauptung, die anarchistische Bewegung habe immer nach taktischer Einheit gestrebt, ganz im Gegenteil, bestritten und vor der „etwas übertriebenen Anmaßung“ der taktischen Einheit gewarnt.

„Wäre eine einzige „Führung“, eine einzige Generallinie, effizienter als die freie und spontane Kombination der vielfältigen Bemühungen der Anarchisten? Wir denken nicht, im Gegenteil, wir sind der Meinung, dass das Einzige, was uns interessieren sollte, die Förderung einer größeren Aktivität ist, wobei den Individuen selbst die volle Autonomie gelassen wird.“

In Ausgabe 260 wurde die Veröffentlichung des Textes der Plattform fortgesetzt. Zu der Behauptung, dass es keine einheitliche Menschheit gibt, sondern dass sie in zwei gesellschaftliche Sektoren, das Proletariat und die Bourgeoisie, geteilt ist, die sich seit Beginn der Menschheitsgeschichte in einem Klassenkampf befinden, nahm die Redaktionsgruppe Stellung.

„Diese rein marxistische Sichtweise, die den ökonomischen Determinismus als Substrat hat, ist von uns immer abgelehnt worden (…) Es ist offensichtlich willkürlich, die Geschichte auf diese Weise erklären zu wollen, wenn die Realität uns nie eine solche Klasseneinteilung gezeigt hat. Im Gegenteil, wir sehen heute, dass große Massen von Arbeitern mehr Interessen mit der Bourgeoisie haben oder vermeintlich haben, als mit dem Rest des Proletariats. In der Vergangenheit hat die Trennung von Bourgeois und Proletariern in einem viel geringeren Maße bestanden, und man könnte sogar sagen, dass der revolutionäre Teil der Menschheit sich mehr in der Bourgeoisie als in den Reihen der Lohnabhängigen ausdrückte. Erst nach der Eroberung der politischen Macht durch die Bourgeoisie im Jahr 1789 begann der Prozess der Distanzierung der Bourgeoisie von den Arbeitern. Auch heute ist dieser Prozess, der in einem extremen Maße wünschenswert ist, sicher nicht abgeschlossen, er hat die Menschheit nicht in Bourgeois und Proletarier geteilt. Und das ist die große Tragödie der Kräfte der Revolution“.

Die Gruppe La Protesta erklärte auch, dass die logische Entwicklung der in der Plattform enthaltenen Gedanken zu einer neuen Klassenherrschaft führen würde. In der folgenden Ausgabe kam auch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Plattform zum Ausdruck, die sich in der Frage äußerte, ob ihre Autoren wirklich eine gesellschaftliche Umgestaltung oder eher die Vernichtung derjenigen anstrebten, die nicht zur proletarischen Klasse gehörten.

Eine der brillantesten Antworten auf die Gruppe Dielo Truda war die der russischen Militante Maria Isidine (Maria Korn/Maria Goldsmith). Zuvor hatte sie 1926 per Brief einen Fragebogen an die Redaktionsgruppe – der sie auch angehörte – mit einigen Bedenken und Zweifeln, die sich aus der Lektüre der Plattform ergaben, geschickt, deren Antworten als erläuternde Beilage beigefügt wurden. Schon in diesem Fragebogen brachte Maria Isidine die umstrittensten Punkte des Archinow-Dokuments zum Ausdruck: den Vorrang der Mehrheiten vor den Minderheiten; die Art der föderativen Bindung zwischen den Mitgliedern, die moralisch oder organisatorisch zwanghaft sein konnte; Eingriffe in die Arbeiterbewegung mit entristischem und dirigistischem11 Charakter; die Art des Exekutivkomitees; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die Verteidigung der Revolution und andere Fragen des sozialen Aufbaus.

Zwischen März und April 1928 wurde in der französischen Zeitung Plus Loin, Nr. 36 und 37, eine ausführliche Erwiderung auf die Plattform veröffentlicht, die die durch das Wort Partei ausgelöste Kontroverse innerhalb der Bewegung aufgriff. Es hing alles von der Bedeutung ab, die ihm gegeben wurde, da

„Es kann einfach auf eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten angewendet werden, die sich über die zu erreichenden Ziele und die einzusetzenden Mittel einig sind, auch wenn sie nicht durch formale Bindungen verbunden sind oder sich nicht kennen. (…) In ihrem lebhaften Wunsch, die Verbindungen zwischen Militanten zu stärken, schlagen die Autoren der Plattform vor, ein neues Modell einer anarchistischen Partei nach dem Vorbild anderer Parteien zu gründen, mit verbindlichen Entscheidungen per Mehrheitsabstimmungen, einem zentralen Lenkungsausschuss, usw.“.

Für die Autorin würde das Prinzip des Vorrangs der Mehrheiten, anstatt die Organisationen zu stärken, diese durch interne Kämpfe schwächen, Energien ablenken, um zu versuchen, sich bei Kongress- und Ausschussabstimmungen durchzusetzen, das Zusammenleben für die Mitglieder der Minderheit unangenehm machen und den Keim der Spaltung und des Revanchismus ausbrüten.

Sie war auch der Meinung, dass der grundlegende Fehler der Plattform darin bestand, sich auf die Struktur des Zusammenschlusses von Gruppen und die Bildung eines Führungszentrums zu konzentrieren, um die anarchistische Bewegung zu retten, anstatt sich auf die Gruppen selbst zu konzentrieren. „Nicht von der Föderation, sondern von den Gruppen innerhalb der Föderation müssen wir solche Aktionslinien fordern: der Schwerpunkt der Bewegung liegt dort, und die Föderation wird das sein, was die Gruppen innerhalb der Föderation sind.“ Das Prinzip der moralischen Verantwortung sollte Vorrang vor der kollektiven Verantwortung der Organisation bzw. der Parteidisziplin haben, weil ihre Grundlagen freiwillig, frei und damit stärker waren. Für Maria Isidine ergab kollektive Verantwortung als Prinzip nur dann Sinn, wenn eine Gruppe ausnahmslos im Konsens und im Einverständnis aller ihrer Mitglieder handelte, niemals im organischen Gehorsam gegenüber dem von der Mehrheit sanktionierten Gebot.

Die Polemik mit Malatesta

In der gleichen Weise wie die vorangegangenen Kritiken versetzten die Einwände von Errico Malatesta der Position der Plattformisten einen schweren Schlag, sowohl wegen der kategorischen Natur seiner Argumente als auch wegen des Ansehens ihres Autors. Malatesta stützte seine Kritik auf Volins französische Übersetzung, und seine Ansichten stimmen mit denen von Maria Isidine überein, die die russische Originalfassung gelesen hatte und Mitglied der Redaktionsgruppe von Dielo Truda war; Grund genug, Alexander Skirdas Geschwätz über Volins angeblich voreingenommene französische Übersetzung zurückzuweisen.

Malatesta glaubte, dass die Bildung rein anarchistischer Gruppierungen notwendig sei, um die für die Arbeiterbewegung charakteristischen reformistischen Tendenzen zu überwinden, dass sie aber mit den Prinzipien des Anarchismus in Einklang stehen, auf der freien Zusammenarbeit der Individuen beruhen, das revolutionäre Bewusstsein stärken und die Initiative ihrer Mitglieder anregen sollten. Aber die Plattform erfüllte diese Anforderungen nicht, argumentierte Malatesta.

„Mir scheint, dass es das nicht tut. Anstatt in den Anarchisten den Wunsch nach mehr Organisation zu wecken, scheint es bewusst darauf ausgelegt zu sein, das Vorurteil derjenigen Gefährten zu verstärken, die glauben, dass sich zu organisieren bedeutet, sich Anführern zu unterwerfen und einem autoritären, zentralisierenden Gremium anzugehören, das jeden Versuch einer freien Initiative erstickt. Und tatsächlich enthält es genau die Vorschläge, die einige angesichts der offensichtlichen Wahrheiten und trotz unserer Proteste allen Anarchisten, die als Organisatoren bezeichnet werden, zuschreiben wollen.“12

Er hielt es auch für falsch und unpraktikabel, zu versuchen, alle Anarchisten in einer einzigen Organisation zu vereinen. In diesem Punkt deckte sich seine Argumentation mit der von Marie Isidine: „Wir Anarchisten können alle sagen, dass wir zur selben Partei gehören, wenn wir mit dem Wort „Partei“ alle meinen, die „auf derselben Seite“ stehen, d.h. die dieselben allgemeinen Bestrebungen teilen und die auf die eine oder andere Weise für dieselben Ziele gegen gemeinsame Gegner und Feinde kämpfen. Das bedeutet aber nicht, dass es möglich – oder sogar wünschenswert – ist, uns alle in einer bestimmten Vereinigung zu versammeln.“13 Es ist unbestreitbar, dass Malatesta nie die Gründung einer anarchistischen politischen Partei oder einer Kaderpartei unterstützt hat, wie manche Schwätzer behaupten.

Die „Wahrheit“ der anarchistischen Idee kann also nicht das Monopol eines Exekutivkomitees oder einer bestimmten Organisation sein oder durch eine Mehrheitsabstimmung erreicht werden. Es gibt auch keine unanfechtbaren Kriterien, um im Voraus die gesunden Elemente von den für die Bewegung schädlichen zu trennen.

Für Malatesta entspricht die in der Plattform vorgeschlagene Organisationsform nicht den anarchistischen Prinzipien und Methoden. Und da die (autoritären) Mittel nicht zu den (libertären) Zielen passen, verzerrt die Organisation der Plattform, die typisch autoritär ist, den Geist des Anarchismus und wird zu einem nicht-anarchistischen Ergebnis führen. Malatesta wendet sich vor allem gegen die politisch-ideologische Führung durch ein Exekutivkomitee, das die allgemeine Taktik der Union aufzeigen soll.

„Ist das anarchistisch? Meiner Meinung nach ist das eine Regierung und eine Kirche. Zwar gibt es keine Polizei oder Bajonette, keine gläubige Herde, die die diktierte „Ideologie“ akzeptiert; aber das bedeutet nur, dass ihre Regierung eine impotente und unmögliche Regierung und ihre Kirche ein Hort für Häresien und Schismen wäre. Der Geist, die Tendenz bleibt autoritär und die erzieherische Wirkung wäre weiterhin anti-anarchistisch“.

Einer der wichtigsten Meinungsunterschiede war die Frage der kollektiven Verantwortung, die Malatesta anders als M. Isidine anging. Dieses Prinzip der kollektiven Verantwortung bildet die Grundlage des disziplinierten Geistes, den die Plattform von ihren Militanten verlangte und der von Makhno 1925 in dem Artikel Über die revolutionäre Disziplin in Ansätzen skizziert worden war. Nach diesem Prinzip ist die gesamte Organisation für das verantwortlich, was jedes Mitglied tut. Die einzige Möglichkeit, dieses Prinzip anzuwenden, ist die Einhaltung einer strengen Disziplin und die Unterwerfung aller Individuen und Mitgliedergruppen unter den allgemeinen, von der Mehrheit bestimmten Willen der Organisation. Wie lässt sich dieser Zwang mit dem Prinzip der Unabhängigkeit des Urteils und der Freiheit der Kritik verbinden? Um ohne organisatorischen Zwang der Minderheit agieren zu können, wäre es notwendig, dass alle Mitglieder immer die gleiche Meinung haben, was nicht machbar ist, wie die Praxis zeigt. Außerdem könnte das Mehrheitsprinzip im Falle von nicht nur zwei, sondern mehreren umstrittenen Vorschlägen die Position der ersten Minderheit (d.h. der größten der Minderheiten) bedeuten. Und mit welcher Begründung können Anarchisten die Mehrheitsregel in menschlichen Gesellschaften leugnen, wenn sie sie innerhalb ihrer eigenen Organisationen anwenden?

Malatesta sind die Beweggründe nicht unbekannt, die die Autoren der Plattform dazu brachten, Ideen zu preisen, die dem Anarchismus von Natur aus zuwider sind (organisatorisch oder individualistisch): Disziplin, Mehrheitsherrschaft, kollektive Verantwortung, Exekutivkomitees, ideologische Führung, taktische Einheit usw., wobei Effizienz und Effektivität bevorzugt werden.

„Diese Gefährten sind vom Erfolg der Bolschewiki in ihrem Land besessen und würden wie die Bolschewiki gerne die Anarchisten in einer Art disziplinierter Armee versammeln, die unter der ideologischen und praktischen Leitung einiger weniger Anführer fest zum Angriff auf die bestehenden Regime marschieren und nach einem materiellen Sieg den Aufbau einer neuen Gesellschaft leiten würde. Und vielleicht ist es wahr, dass unter einem solchen System, wenn es möglich wäre, dass Anarchisten sich daran beteiligen würden, und wenn die Anführer Männer mit Vorstellungskraft wären, unsere materielle Effektivität größer sein würde. Aber mit welchen Ergebnissen? Würde das, was dem Sozialismus und dem Kommunismus in Russland passiert ist, nicht auch dem Anarchismus passieren?“

Malatestas Schrift löste eine schroffe Antwort von Archinow in Dielo Truda, Mai 1928, „Das Alte und das Neue im Anarchismus“ aus. Dort verteidigte und ratifizierte er die Positionen der Plattform, ohne neue argumentative Beiträge zu leisten. Andererseits wurde klar, dass das, wofür die Plattformisten kritisiert wurden, nicht das Produkt einer Verwirrung war, die durch das Lesen einer fehlerhaften Version des Originaltextes verursacht wurde. Wie in seiner bissigen Antwort an Volin machte Archinow keine überzeugenden Anstrengungen, die Positionen seines Gesprächspartners zu widerlegen, sondern griff auf Disqualifizierungen und Vorurteile zurück, die bald zu plattformistischen Klischees werden sollten: Vorwürfe des Dogmatismus, des von den Massen entfremdeten Intellektualismus, der Nachlässigkeit und Verantwortungslosigkeit. Archinow besteht darauf, dass die Plattform die Frucht konkreter Erfahrung ist, um die Positionen seiner Gegner als „dogmatische Abstraktionen“ zu disqualifizieren. Aber er vergisst ungeschickt, dass das gleiche Argument auch von seinen russischen Widersachern wie Volin, Fleshin, Maximov, Berkman, Goldman oder Shapiro vorgebracht werden könnte, die die gleiche Erfahrung gemacht haben. Ohne den geringsten Anflug von Selbstkritik hält er wie die Marxisten-Leninisten die Vergangenheit für überwunden und verkündet großspurig:

„Der libertäre Kommunismus kann nicht in den Hindernissen der Vergangenheit verharren, er muss weiter gehen, seine Mängel bekämpfen und überwinden. Das Originelle an der Plattform und der Gruppe Dielo Truda ist gerade, dass ihnen anachronistische Dogmen, vorgefertigte Ideen fremd sind und dass sie im Gegenteil danach streben, ihre Tätigkeit auf der Grundlage realer und gegenwärtiger Tatsachen auszuüben. Dieser Ansatz stellt den ersten Versuch dar, den Anarchismus mit dem realen Leben zu verschmelzen und auf dieser Basis anarchistische Aktivität zu schaffen. Nur so kann sich der libertäre Kommunismus von überholten Dogmen befreien und die lebendige Bewegung der Massen fördern“.

Kurze Zeit später schrieb ein betrübter Nestor Makhno Malatesta eine verletzte Antwort. Nachdem er seine Ablehnung der Plattform zum Ausdruck gebracht hat, stellt Makhno ihm eine Frage bezüglich der konstruktiven Aktion von Anarchisten in der Gesellschaft, die in sich eine ganze Aussage ist: „? Sollen Anarchisten eine führende, also verantwortungsvolle Funktion übernehmen, oder sollen sie sich darauf beschränken, unverantwortliche Hilfskräfte zu sein? “ Malatesta antwortet:

„Deine Frage lässt mich ratlos zurück, weil es ihr an Präzision fehlt. Es ist möglich, durch Ratschläge und Beispiele zu lenken und es den Menschen zu überlassen, sich unsere Methoden und Lösungen zu eigen zu machen, wenn diese besser sind als die von anderen vorgeschlagenen und durchgeführten. Es ist aber auch möglich, zu lenken, indem man das Kommando übernimmt, d.h. indem man eine Regierung wird und seine eigenen Ideen und Interessen mit polizeilichen Methoden durchsetzt. Auf welche Weise würdest du lenken wollen?

Wir sind Anarchisten, weil wir glauben, dass die Regierung (jede Regierung) ein Übel ist und dass es ohne Freiheit nicht möglich ist, Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit zu erlangen. Deshalb können wir keine Regierung anstreben und müssen alles tun, um andere – Klassen, Parteien oder Individuen – daran zu hindern, die Macht zu übernehmen und zu Regierungen zu werden. (…)

Aber wenn ich sehe, dass es in der Union, die du unterstützt, ein Exekutivkomitee gibt, das die Assoziation ideologisch und organisatorisch leitet, beschleicht mich der Zweifel, dass auch du in der allgemeinen Bewegung ein zentrales Organ sehen möchtest, das in autoritärer Weise das theoretische und praktische Programm der Revolution vorgibt.

Wenn das so ist, sind wir weit voneinander entfernt.

Deine Organisation oder deine Leitungsorgane können aus Anarchisten bestehen, aber sie würden nichts anderes als eine Regierung werden.“

Malatestas letzte Intervention in der Debatte über die Plattform war schließlich der kurze Artikel Apropos „Kollektive Verantwortung“ und wurde in Studi Sociali, 10. Juli 1930, veröffentlicht, als sich der Sturm gelegt hatte.

Das Ende der Plattform

Das Interesse an der Plattform ließ allmählich nach, weil sie starke Kritik hervorrief und außerhalb des Kreises der russischen Geflüchteten kaum nennenswerte Anhänger gewann. Das Leiden des Exils, die persönlichen Feindschaften, das Elend, das sie mit ihren Familien ertragen mussten, zersetzten die russische anarchistische Bewegung im Exil. Während einige, wie Volin und Makhno, in Frankreich blieben und Hunger und Beschwerden ertrugen, entschieden sich andere, wie Gorelik und Maximov, für die Auswanderung aus Frankreich und nahmen nach einer Pilgerreise durch Europa amerikanischen Boden als Ziel. Schließlich entschied sich eine kleine Gruppe, nach Russland zurückzukehren, unter ihnen Archinow, auf den ein orwellsches Ende wartete.

Mehr noch als die Enttäuschung über die Ablehnung der Plattform durch die internationale anarchistische Bewegung als Ganzes verzweifelte Archinow an der nostalgischen Depression, die aus dem Exil resultierte, in das seine geliebte Gefährtin gefallen war. Nachdem er aus Frankreich ausgewiesen worden war, nahm er Kontakt mit dem kommunistischen Anführer Ordschonidse auf – einem ehemaligen Gefährten in Haft -, der ihm versprach, ihm bei der Rückkehr zu helfen, wenn er alle seine Kritik am Bolschewismus zurücknehmen und endgültig mit dem Anarchismus brechen würde. Sogar Volin selbst bat ihn, nicht nach Russland zurückzukehren, weil man ihm seine anarchistische Vergangenheit nie verzeihen würde. Er veröffentlichte in Paris zwei Pamphlete gegen den Anarchismus: Anarchismus und die Diktatur des Proletariats (1931) und Anarchismus in unserer Zeit (1933); dann veröffentlichte er in der kommunistischen Zeitung Iswestija am 30. Juni 1935 Das Fiasko des Anarchismus. In Russland angekommen, arbeitete er eine Zeit lang als Lektor in Moskau, bis er 1937 unter dem Vorwurf des Anarchismus inhaftiert und kurz darauf erschossen wurde.

Camillo Berneri und Max Nettlau kritisierten ihn heftig, während Alexander Berkman ihn als Verräter und Feigling bezeichnete. Makhno brach öffentlich mit Archinow und brandmarkte ihn als hochmütig und machtsüchtig und brach praktisch mit der Position der Plattform, als er sagte, dass Archinow „begann, sich als Anührer des Anarchismus zu sehen, für den er die theoretischen Grundlagen suchte und fand. Es war ein leichter Schritt, ein Schritt in Richtung Bolschewismus.“

Archinows Verrat und seine philo-bolschewistische Orientierung zogen die Organisationsplattform mit in den Verruf. Aber nach ein paar Jahrzehnten des Vergessens sollte sie ab den 1950er Jahren in Frankreich und Italien und in den 1960er und 1970er Jahren auf den britischen Inseln wieder auftauchen, als die internationale anarchistische Bewegung im Niedergang begriffen war.

Frankreich: eine turbulente Rückkehr

Obwohl der Vorschlag der Gruppe Dielo Truda von der gesamten internationalen anarchistischen Bewegung praktisch rundweg abgelehnt wurde, gelang es seiner Saat in Frankreich, kräftig zu sprießen. Die Union Anarchiste war 1919 gegründet worden und gab täglich Le Libertaire heraus. 1926 änderte sie ihren Namen in Union Anarchiste Communiste (UAC) und 1927 führte der Einfluss der Gruppe russischer Geflüchteter auf dem Kongress in Orléans zur programmatischen Annahme der Plattform, was die Differenzen mit Volins synthetistischer Tendenz vergrößerte, die sich schließlich abspaltete und die Association des Fédéralistes Anarchistes (AFA) gründete. Etwa zu dieser Zeit schrieb Maria Goldsmitt-Korn (Isidine) ihren plattformkritischen Artikel in Bezug auf den Kongress in Orléans, Organisation und Partei. Im Jahr 1930 bewegten sich einige Militante der UAC zu synthetischen Positionen und es wurden Anstrengungen unternommen, die Bewegung zu vereinigen, was schließlich durch die Wiedereingliederung in die AFA im Jahr 1934 angesichts der Bedrohung durch den aufsteigenden Faschismus erreicht wurde. Die neue Organisation nahm den Namen UA an, aber kurz darauf wurde eine Spaltung provoziert, die sich Fédération Anarchiste de langue Française (FAF) nannte – die unter Mitwirkung von Volin und Prudhommeaux Terre Libre herausgab – und eine kritische Position zur Zusammenarbeit der UA mit der Volksfront und zur Beteiligung der spanischen CNT an der republikanischen Regierung einnahm. Während des Zweiten Weltkriegs ging die Bewegung in den Untergrund.

Nach dem Ende der deutschen Besatzung reorganisierten sich die französischen Anarchisten Ende 1945 in der Fédération Anarchiste (FA) – einer Syntheseföderation mit heterogener Zusammensetzung -, zu deren erstem Generalsekretär Georges Fontenis gewählt wurde. Dieser finstere Charakter wird um 1950 eine geheime Fraktion mit dem Namen Organisation Pensée Bataille (OPB) gründen, mit einer plattformistischen Tendenz, die eine autoritäre und jesuitische Praxis entwickelt, um die anderen Tendenzen der FA auszugrenzen und schließlich eine zentralisierte und homogene Struktur zu entwickeln, die den Namen Fédération Communiste Libertaire (FCL) ab dem Pariser Kongress von 1953 erhält. Zu dieser Zeit veröffentlichte Fontenis sein Libertäres Kommunistisches Manifest – eine aktualisierte Version von Archinows Plattform -, das das Programm der FCL zusammenfassen sollte. Wie zu erwarten war, feierte das Manifest die bekannten Parolen: taktische Einheit, theoretische Einheit, Mehrheitsprinzip, kollektive Verantwortung, Parteidisziplin, proletarische Avantgardismus und Klassenkampf. Die Ähnlichkeit dieses Dokuments mit Archinows Plattform ist so groß, dass es fast als Plagiat angesehen werden könnte.

Die Aktionen der OPB innerhalb des FCL waren nach der Beschreibung derer, die sie erleiden mussten, katastrophal: „Sie versuchen die unmögliche Ehe zwischen Marxismus und Anarchismus, sie sind durch Ordnung und Disziplin vernebelt, sie verlangen revolutionäre Effizienz um jeden Preis, auch wenn das bedeutet, unsere Prinzipien zu verleugnen“… „Sie agiert in Obskurantismus und zwingt ihren Mitgliedern ein absolutes Schweigen über ihr Wesen und ihre Ziele auf (ihre Statuten gehen so weit, dass sie die physische Beseitigung ihrer Agenten vorsehen, wenn sie die eiserne Disziplin, die ihre Organisation gefährdet, nicht einhalten). Das Ziel? Die Mitglieder der Anarchistischen Föderation, die Agenten der OPB, haben als Slogan, die Struktur zu kontrollieren, damit sie den „libertären Marxisten“ besser verändern können, indem sie ihre Stimmen kaum stumm machen“ (veröffentlicht in Tierra y Libertad, Nr. 196, November 2004). Die Veröffentlichung des Memorandums der Gruppe Kronstadt, das aus der FCL selbst hervorging, prangerte die bolschewistische Ausrichtung der FCL und die Existenz ihres Geheimorgans OPB an.

1956 stellte die FCL bei den Parlamentswahlen im Januar zehn Kandidaten auf, darunter André Marty – aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und mit dem Spitznamen „der Schlächter von Albacete“ versehen, weil er während der Spanischen Revolution Anarchisten massakriert hatte -, um die Stimmen der dissidenten Kommunisten zu gewinnen; die Ergebnisse waren lächerlich. Staatliche Repressionen, verstärkt durch ihre kritische Unterstützung des antikolonialistischen Kampfes in Algerien, ihr gescheitertes Wahlabenteuer und die allgemeine Gleichgültigkeit der übrigen Anarchisten führten 1958 zum Untergang der FCL.

Zur gleichen Zeit, um 1953, gründeten die Anarchisten, die aus der FCL ausgeschlossen worden waren, die FA mit einer synthetistischen und pluralistischen Ausrichtung neu und gaben Le Monde Libertaire heraus. In den 1960er Jahren fanden die plattformistischen Versuche, die Ausrichtung der Föderation zu ändern, einen neuen Ausdruck in der Union des Groupes Anarchistes Communistes (UGAC), die die konspirative Taktik von Fontenis und seinen Handlangern reproduzierte, jedoch ohne Erfolg. 1966 verbreitete die UGAC einen Brief an die internationale anarchistische Bewegung, in dem sie erklärte, dass der Anarchismus nicht die Führung der weltrevolutionären Bewegung übernehmen könne und sich damit abfinden müsse, als Teil einer größeren Bewegung zu agieren und eine brüderliche Politik der Bündnisse mit Maoisten und Trotzkisten zu fördern.

1927 mit der UAC (zu Lebzeiten Makhnos und Archinows) und 1953 mit der FCL waren dies die einzigen historischen Gelegenheiten für die Plattformisten, eine solide, groß angelegte Organisation zu führen. Weder Volins Synthetismus noch Archinows Plattformismus erwiesen sich als brauchbar oder effektiv, um eine Bewegung auf einer gemeinsamen Grundlage zu formen.

Der Neo-Platformismus seit 1968

Trotz seines Scheiterns im Keim konnte der Plattformismus – oder vielleicht richtiger ausgedrückt, der Neo-Plattformismus – nach dem libertären Sommer 1968 an Boden gewinnen. Es ist kein Zufall, dass in einem Kontext des Aufblühens der revolutionären Linken – deren charakteristischer Ausdruck die Guerilla-Organisationen sind -, die der versöhnlichen Rolle der Kommunistischen Parteien im sowjetischen Machtbereich widerstrebte, die Plattform mit dem Ziel der Erneuerung des Anarchismus rekuperiert wurde. Aber diese Aktualisierung versuchte eigentlich, den Anarchismus mit den modischen linken Vorschlägen in Einklang zu bringen, anstatt auf einen Prozess der ideologischen Reifung und eine Analyse der Entwicklung des Kapitalismus und des Staates zu reagieren. Der Plattformismus passte denjenigen wie die Faust aufs Auge, die den Anarchismus als „rückständig“ und von den Massen in einem Glasturm distanziert betrachteten. Der Plattformismus ahmte die Linke perfekt nach, teilte ihre Slogans und lieferte viele der Antworten auf die Fragen, die junge libertäre Militante beschäftigten, die sich von einer nach links gerichteten Welt überfordert fühlten: Das revolutionäre Potenzial einer anarchistischen Organisation wurde als direkt proportional zu ihrer Ähnlichkeit mit den Parteien der Linken verstanden.

In Frankreich fand sich der Anarchismus ab 1968, nach den Maiereignissen, als Bewegung völlig zersplittert wieder: die Fédération Anarchiste (FA), das Mouvement Communiste Libertaire (gegründet von Anhängern von Fontenis, der UGAC und anderen plattformistischen Gruppen), die Union fédérale des anarchistes, die Alliance ouvrière anarchiste, die Union des groupes anarchistes communistes, die Redaktionsgruppe von Noir et Rouge, die CNT, die Union anarcho-syndicaliste, die Organisation révolutionnaire anarchiste (ORA) und andere verschiedene Gruppen, darunter Autonome, Situationisten, Rätekommunisten und Individualisten.

Die ORA, die MCL und andere Plattformisten schlossen sich 1971 auf einem Kongress in Marseille zu einer Organisation communiste libertaire zusammen. Nach einigem Hin und Her, Überläufen und Beitritten konstituierten sie 1975 eine zweite OCL, die jedoch autonome Elemente enthielt, und die plattformistische ORA wurde separat neu konstituiert, obwohl einige ihrer Kader dem Union des communistes de France marxiste-léniniste beitraten. In diesem chaotischen Mischmasch libertärer Organisationen – von denen wir nur eine Auswahl anbieten – entstand auch die plattformistische Union des travailleurs communistes libertaires (UTCL), der Fontenis und Guerin 1979 beitraten. Nach einem Prozess intensiver Debatten wurde daraus 1991 die Alternative Libertaire, die viel vom Geist ihrer Vorgänger beibehielt.

Eine Fülle von Organisationen bevölkerte den französischen libertären Raum in den letzten vierzig Jahren, ein großer Teil von ihnen hat eine plattformistischen Tendenz, aber mit unterschiedlichen Ursprüngen, die vom libertären Marxismus Guerins und der revolutionären Linken bis zum Rätekommunismus und Autonomie reichen. Paradoxerweise war es seit 1953 die Anarchistische Föderation (FA) – die das synthetische Denken von Volin und Faure, den Gegnern der Plattform seit ihrer Gründung, verköprern -, die als einzige Organisation Kontinuität als Kollektiv erreicht hat, was ein stillschweigendes Scheitern des Plattformismus in seinem Versuch darstellt, die von Archinow vorgeschlagene Allgemeine Anarchistische Union zu bilden. Die gepriesenen Begriffe von Parteidisziplin, kollektiver Verantwortung, taktischer Einheit und theoretischer Einheit erwiesen sich in der konkreten Praxis der französischen plattformistischen Gruppen als unwirksam.

In Italien entstand in den 1970er Jahren die Organizzazione Rivoluzionario Anarchica, die nach dem Zusammenschluss mit anderen Gruppen 1986 die Federazione dei Comunisti Anarchici bildete. Trotz ihrer wenigen Militanten besteht sie bis heute mit Sektionen in der Toskana, Lombardei, Friaul, Ligurien, Apulien und Emilia.

In Irland hat sich der Plattformismus als die einflussreichste anarchistische Strömung etabliert. Das Workers Solidarity Movement wurde 1984 von ehemaligen Mitgliedern der trotzkistischen Socialist Workers Party und Anarchisten in Dublin und Cork gegründet. Obwohl sie nur eine kleine Gruppe sind, haben sie großen militanten Einsatz gezeigt und an Anti-Steuer-Kampagnen, Pro-Abtreibungs-Kampagnen und syndikalistischen Konflikten teilgenommen. Sie waren auch in Antiglobalisierungsbewegungen und Antikriegskampagnen gegen die US-Intervention aktiv und haben eine starke Internetpräsenz. Sie wurden scharf für ihre Beteiligung am Wahlkampf des Kandidaten Des Derwin in der Gewerkschaft/Syndikat SIPTU kritisiert, für ihre Annäherung an den irischen Republikanismus und dafür, dass sie ihren Diskurs ausschließlich auf die katholischen Sektoren der Arbeiterklasse richteten und den protestantischen Sektor ausließen. Der WSM ist zum organisatorischen Paradigma des internationalen Plattformismus geworden.

In Spanien agierten die Plattformisten 1978 innerhalb der CNT und lösten einige große Skandale aus. Angeführt von Mikel Orrantía untergruben sie die traditionellen Praktiken der CNT und erhoben alle möglichen Anschuldigungen gegen viele ihrer berüchtigtsten Militanten. Laut Juan Gómez Casas (Relanzamiento de la CNT, ediciones CNT, 1984, S. 138-140) „lehnte Orrantía weder den Anarchosyndikalismus noch die CNT ab. Er interessierte sich für die CNT als Experimentierfeld und als Handlungsmacht. Er kündigte an, dass er in der CNT bleiben wolle, solange die Freiheit der Tendenz innerhalb der CNT und ein Maximum an Meinungsfreiheit erlaubt seien. Hier gab es noch Arbeiterautonomie und Vollversammlungswesen, natürlich noch auf einer niedrigeren Organisationsebene. Aber über und außerhalb der CNT erschien die Archinowsche Plattform, d.h. ein perfekteres Organisationsniveau und die Gruppe der selbstbewussten, homogen auf ein Ziel ausgerichteten Revolutionäre, die dazu bestimmt waren, die Massen zu mobilisieren und in heiklen Momenten taktische Rückzüge anzuordnen. Innerhalb dieser Gruppe, so Orrantía, gebe es keinen Raum mehr für freie Meinungsäußerung. Wer mit der allgemeinen Ausrichtung nicht einverstanden war, musste die Gruppe verlassen, denn es durfte keinen Dissens geben. In diesem Fall war es die führende und monolithische Avantgarde“. Nachdem sie die CNT verlassen hatten, gaben diese utilitaristischen Charaktere ihre Wählerunterstützung zuerst der PSOE und dann dem politischen Arm der ETA, der baskischen Partei Herri Batasuna. Heute bleibt der Plattformismus eine winzige Tendenz innerhalb der spanischen libertären Bewegung.

Plattformistische Gruppen gibt es in Griechenland, der Türkei, Brasilien, Argentinien, Uruguay, Portugal, Südafrika, Peru, Mexiko, etc. Ihre Relevanz ist nicht nur innerhalb ihrer Länder, sondern auch als Tendenz innerhalb der lokalen anarchistischen Bewegungen minimal. In Nordamerika gruppiert die NEFAC seit 1999 die Plattformisten der USA und Kanadas.

In Chile ist die OCL die wichtigste plattformistische Gruppe; ihre Positionen und Rhetorik unterscheiden sich nicht vom Rest der Linken, abgesehen davon, dass sie sich als Partei bezeichnet. Seine wichtigste organisatorische Referenz ist die WSM in Irland. Ihr Hauptvorläufer ist der Congreso de Unificación Anarco Comunista (Anarcho-kommunistische Vereinigungskongress) vom November 1999, Verfasser eines merkwürdigen Dokuments, das ihre sektiererische Auffassung von revolutionärer Organisation ungeschminkt beschreibt. Sie legen drei Kategorien fest: Sympathisanten, Prä-Militante (Anwärter) und Militante mit voller Beteiligung. Letztere arbeiten in der Struktur der Organisation mit, müssen mit ihren Mitgliedsbeiträgen pünktlich sein und regelmäßig an deren Vollversammlungen teilnehmen. Als Zeichen des wachsamen Geistes der Organisation heißt es in dem Dokument, dass es die Pflicht des Militanten ist, „regelmäßig an den theoretischen Schulungen teilzunehmen und den Verantwortlichen der Bildungskommission im Voraus über seine Abwesenheit zu informieren, damit er den Unterricht bei anderer Gelegenheit wiederholen kann.“ Jede dieser Kategorien wird die entsprechenden Rechte und Pflichten haben, die alle ordnungsgemäß in einer Skala des libertären Militanten festgelegt sind. Um ein Militant zu werden, müssen die Anwärter mit der Politik der Organisation völlig einverstanden sein. Nach diesen Statuten können nur Militante aktiv an der Erstellung der Politik der Organisation teilnehmen oder „Räume in den Organen der Diffusion der Organisation besetzen“. Eine konsequentere Umsetzung der Prinzipien von theoretischer Einheit, taktischer Einheit und Disziplin ist kaum vorstellbar.

Sobald der neue Militante vorgestellt und von der Vollversammlung akzeptiert wurde, erhält er eine Begrüßungszeremonie, wie ein Übergangsritus zu seinem neuen Status. Um keinen Verdacht zu erregen, hier eine wortwörtliche Abschrift der Veranstaltung:

„Die Zeremonie besteht darin, dass der neue Gefährte zu Beginn der Vollversammlung eine Verpflichtungserklärung verliest, die seine Loyalität zu seinen neuen Gefährten und der revolutionären Sache besiegelt, woraufhin die Hymnen „Hijo del Pueblo“ und „A las Barricadas“ angestimmt werden. Sobald dies geschehen ist, erhält er seinen Mitgliedsausweis und sein Abzeichen (Halstuch und/oder Armband). Zu diesem Anlass müssen alle Gefährten mit ihrem Abzeichen erscheinen. Danach gehen alle Gefährten dazu über, einen persönlichen und herzlichen Gruß an den Gefährten zu richten. Es soll weniger als zehn Minuten dauern“.

Dieser ganze Narrenstreich könnte für Heiterkeit sorgen, wenn er nicht von einem im Voraus festgelegten Kodex von Fehlern und Sanktionen begleitet würde, der von einem mündlichen Verweis bis zum Ausschluss reicht (was angesichts der Funktionsweise einer solchen Organisation eher einer Belohnung gleichkäme). Um die Sanktionen abzumildern, erklären die Autoren des Dokuments, dass „es notwendig ist, zu betonen, dass wir nicht durch ein rein strafendes Interesse motiviert sind, sondern dass wir das ordnungsgemäße Funktionieren, die Sicherheit und den inneren Zusammenhalt der Organisation sicherstellen müssen. In diesem Sinne wird das Ziel der Sanktion sein, eine abnormale Funktion zu verhindern“. Mit anderen Worten, eine Verherrlichung der Kontrolle von Individuen, Konformismus und die Aufhebung der individuellen Autonomie, die jede mögliche Diskrepanz auslöscht.

Die Statuten der CUAC waren nicht gerade transzendent in der Geschichte der chilenischen anarchistischen Bewegung, geschweige denn international. Wir haben sie in diese Zusammenfassung aufgenommen, weil sie ein gutes Beispiel für den Autoritarismus sind, zu dem plattformistische Organisationen neigen. Die CUAC war eine parodistische Nachbildung der Erfahrung der OPB von Fontenis, nicht so spektakulär, aber nicht weniger desaströs.

Anarchoparteientum und Especifismo

Parallel zur neoplattformistischen Tendenz entwickelte sich in Südamerika eine Tendenz namens Especifismo, die ähnliche Postulate wie der Plattformismus vertritt, wenn auch von einer anderen Grundlage und einer anderen Genealogie ausgehend. Er postuliert, dass sich Anarchisten in Organisationen mit einem spezifisch anarchistischen ideologischen Charakter zusammenschließen und von dort aus in sozialen Bewegungen arbeiten sollen. Er betont auch die theoretische Einheit, die taktische Einheit und die Entwicklung von Politiken von der spezifischen Organisation gegenüber den sozialen Bewegungen, an denen ihre Militanten teilnehmen. Diesen Vorgang nennen sie soziale Einfügung und – so Felipe Correia, Theoretiker der Federación Anarquista de Río de JaneiroAnarchistischen Föderation von Rio de Janeiro – „es ist nur mit der Idee der organisierten Rückkehr der Anarchisten in den Klassenkampf und die sozialen Bewegungen verbunden“. Obwohl die Föderer ihre Praxis der sozialen Einfügung vom „Entrismus“ der linken Parteien unterscheiden, ist ihre Praxis letztlich ähnlich.

Der Especifismo oder „organisierte Anarchismus“ – wie sie sich zusammen mit den Plattformisten zu nennen pflegen, was auch ein Indiz für die Missachtung anderer anarchistischer Organisationsformen ist – steht dem Synthetismus von Volin-Faure kritisch gegenüber und könnte als eine Art Plattformismus ohne Plattform betrachtet werden. Der Especifismo– der eine ideologische Tendenz darstellt – ist nicht zu verwechseln mit spezifischen anarchistischen Organisationen, die den verschiedensten Tendenzen angehören können (Insurrektionalismus, Individualismus, Kommunismus, Primitivismus, Kollektivismus usw.) Der Synthetismus fördert Organisationen mit offen anarchistischem Charakter, d.h. spezifische Gruppierungen, was sich vom Especifismo stark unterscheidet14. Diese synthetische Organisationsform begleitete immer die nicht spezifischen Organisationen, d.h. die anarchosyndikalistische Bewegung, deren bekannteste die Verflechtung von CNT und FAI ist. Die spezifischen Organisationen sind heterogene lokale Föderationen, die strategische Einheit – d.h. anarchistische Ziele – und taktische Vielfalt priorisieren und in der Internationalen der Anarchistischen Föderationen (IFA) zusammengeschlossen sind. Auf der anderen Seite sind die Organisationen einer especifistischen Tendenz international zusammen mit den plattformistischen Organisationen und dem pseudo-anarchistischen „alternativen“ Syndikalismus in der SIL, der parallelen reformistischen Internationale, zusammengefasst.

Nach dieser Klarstellung unterscheidet sich der Especifismo vom Plattformismus nur durch seinen historischen Ursprung, wobei er zu den gleichen Schlussfolgerungen kommt. Um Verwirrung zu vermeiden, werden wir einen Begriff verwenden, der der Praxis und Theorie des Especifismo angemessener ist: Anarcho-Parteientum. Das organisatorische Paradigma dieser anarcho-parteilichen Tendenz ist die 1956 gegründete Federación Anarquista Uruguaya.

Die kubanische Revolution von 1959 hatte eine beispiellose Auswirkung auf die uruguayische anarchistische Bewegung, die sich nach einer tiefgreifenden internen Diskussion innerhalb der F.A.U. – die ein perfektes Beispiel für einen Synthetismus war, in dem verschiedene libertäre Tendenzen koexistierten – schließlich 1963 spaltete. Die F.A.U. – wie Daniel Barret zu Recht feststellt – „leitete einen Prozess der ergebnisoffenen Suche ein, der zu einem allmählichen Verlust der anarchistischen Identität im starken und unnachgiebigen Sinne des Begriffs führen würde“15. Diesem Autor zufolge wurde die anarchistische Definition zunehmend relativiert, indem Beiträge aus dem Marxismus aufgenommen wurden, bis man dazu kam, von einem „Fau sind Puntos – Fau ohne Punkte“ zu sprechen, d.h. von einer Bezeichnung, die auf eine „anarchistische Vergangenheit“, aber nicht auf ein „anarchistisches Akronym“ reagierte. Die Charakteristika dieser anarchistisch-marxistischen Mutation der FAU ließen sich wie folgt zusammenfassen: eine Neudefinition des Konzepts der Macht als Motor der sozialen Veränderung, organisatorische Zentralisierung, interne Disziplinierung und eine Politik der Bündnisse mit der „revolutionären Linken“.

Laut Pablo Anzalone, einem ehemaligen Mitglied der FAU (derzeit Mitglied derPartido por la Victoria del Pueblo oder P.V.P., die Teil der Frente Amplio ist, die jetzt an der Macht ist16), „definierte sich die Organisation nicht mehr als ‚anarchistisch‘, sie dachte an die Notwendigkeit einer ‚Synthese‘ zwischen Marxismus und Anarchismus. Das Denken von Vertretern der strukturalistischen Strömung des Marxismus, wie Poulantzas und Althusser, und später Gramsci, wurde genutzt. Die Organisation hatte einen theoretischen Vorschlag, der darin bestand, die Elemente des revolutionären Marxismus einzubeziehen, die libertären ideologischen Werte, die aus dem Anarchismus kamen, beizubehalten, aber mit einer klaren Distanz zum Anarchosyndikalismus. Es gibt Stellen bei Cartasde FAU (eine der damaligen Publikationen der Organisation), die über die Wichtigkeit der Partei sprechen und diskutieren, wie sie aussehen würde. Es war eine Organisation, die die Politik klar hierarchisierte“ (veröffentlicht in Brecha, 17. November 2006).

Wir werden nicht in die Geschichte der FAU tiefer eingehen, da dies unseren Rahmen sprengen würde, obwohl wir darauf hinweisen, dass die FAU nach ihrer Wiedergründung nach der Rückkehr der Demokratie viel von ihrer anarchistischen Ideologie wieder aufnahm, obwohl sie von marxistischen „Beiträgen“ befreit wurde. Nichtsdestotrotz ist sie der Archetyp des parteiischen Anarchismus oder der especifistischen Tendenz, die brasilianische Organisationen wie die Federação Anarquista Gaúcha, die FARJ, die Federação Anarquista Cabocla, zusammen mit anderen uruguayischen und argentinischen Organisationen, auch heute noch verfolgen.

Schlussfolgerungen: zwischen theoretischer Irreführung und ideologischem Betrug

Es ist unmöglich, eine objektive Analyse eines Denkens vorzunehmen, mit dem man in praktisch allen Punkten nicht übereinstimmt. Bislang haben wir jedoch versucht, in den Bahnen der Objektivität zu bleiben und uns bis zu diesem letzten Titel vorbehalten, der Voreingenommenheit unserer Schlussfolgerungen und Bewertungen freien Lauf zu lassen.

Erstens beanspruchen alle plattformistischen und especifistischen anarcho-parteilichen Tendenzen eine theoretische Erneuerung, die sich, wenn sie nicht durch ihre Abwesenheit auffällt, nur auf die unkritische Übernahme von ideologischen Elementen des Marxismus-Leninismus reduziert. Die theoretische Armut von Archinows Plattform ist so groß, dass seine Analysen des politischen, ökonomischen und sozialen Kontextes Russlands im Jahr 1921 nicht einmal nach den Maßstäben der damaligen Zeit zufriedenstellend waren. Kein Gelehrter mit einem minimalen Wissen über die russische oder ukrainische Geschichte würde Archinows Analysen ernst nehmen, die noch mangelhafter waren als die der Bolschewiki selbst.

Dies wäre nicht einmal ein Problem, das man in Betracht ziehen müsste, wenn die Autoren der Plattform ihren Theorien nicht universelle Gültigkeit verliehen hätten. Und gerade ihre Gründung ist die Frucht der „Erfahrung in der russischen Revolution“, von der sie annehmen, dass sie ihnen die Türen der theoretisch-ideologischen Erleuchtung weit geöffnet hat. Archinows Plattform basiert auf einer verallgemeinernden Interpretation eines besonderen und unwiederholbaren historischen Ereignisses – der anarchistischen Beteiligung während der russischen Revolution – und darin liegt ein Großteil ihrer Anämie und ihres Ablaufs. Abgesehen davon, dass sie wie jede Erfahrung subjektiv ist und denjenigen, die sie erlebt haben, keinerlei Vorrechte einräumt, waren die Autoren der Plattform (Archinow, Makhno, Mett) ebenso Teilnehmer an der „russischen Erfahrung“ wie ihre Kritiker (Volin, Fleshin, Berkman). Und man sollte nicht denken, dass die Neo-Plattformisten heute solchen Unsinn nicht wiederholen; vielmehr nehmen sie es auf sich, ihn in alle vier Winde zu posaunen.

Die Überbewertung der eigenen Erfahrung ist nicht das Einzige, bei dem die Anhänger der Plattform gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen. Es besteht ein deutlicher Widerspruch zwischen dem Bedürfnis nach einer einzigen, definierten Theorie als Leitfaden für die Aktion und einem ausgeprägten Anti-Intellektualismus, der oft benutzt wird, um Kritiker ihres Projekts zu verunglimpfen. Kritiken an der Plattform werden oft als theoretisches Geschwafel, intellektueller Katechismus, abwesender Kontakt zur Realität abgetan, auch wenn sie von engagierten Militanten und brillanten Theoretikern wie Malatesta, Volin oder Berneri kommen. Wie Bob Black zu Recht sagt, „die Plattform ist ein Triumph der Ideologie über die Erfahrung “ (in Hölzerne Schuhe oder Plattformschuhe?)17.

Der Anspruch der Plattform auf theoretische Unverletzlichkeit ist völlig unvereinbar mit ihrem vermeintlich provisorischen Charakter. Dieser provisorische Charakter, den ihr ihre Autoren gaben, wurde tatsächlich nie überwunden, sondern allenfalls von ihren Anhängern plagiiert. Hier zeigt sich die Unfähigkeit, Theorie zu produzieren, die Unfähigkeit, neuartige Analysen zu entwerfen, die Wiederholung von Klischees und inhaltlichen Floskeln. Weder der Plattformismus noch der Especifismo haben in den letzten 80 Jahren einen einzigen theoretischen Beitrag von Wert geleistet, obwohl sie nie aufgehört haben, vom Rest der „desorientierten“ Anarchisten die Notwendigkeit zu fordern, die theoretische Einheit umzusetzen.

Nicht weniger zweitrangig ist die Rolle, die die beiden anderen Devisen des Neo-Plattformismus spielen: die taktische Einheit und das Streben nach organisatorischer Einheit. Wenn die taktische Einheit in ihren ersten Formulierungen im Jahr 1926 kritikwürdig war, ist es völlig lächerlich, in einer viel komplexeren Welt darauf zu beharren. Es gibt keine Garantie, dass taktische Einheit und organisatorische Einheit zum Sieg einer Sache führen können. Und diese Binsenweisheit wurde von den Neo-Plattformisten durch die zweifelhalfte Offensichtlichkeit ersetzt, dass taktische, theoretische und organisatorische Einheit der einzige und wichtigste Weg sind, um revolutionäre Veränderungen zu erreichen. Wenn das so wäre, hätten es die leninistischen, trotzkistischen, maoistischen, stalinistischen Parteien, die treu dem Paradigma der taktischen Einheit und des Parteienunitarismus folgen, sehr leicht, ihre Ziele zu erreichen, während die Realität das Gegenteil zeigt. Im Gegenteil, taktische Pluralität und organisatorische Autonomie waren immer der günstige Rahmen für die Entwicklung der anarchistischen Aktion, im Gegensatz zur organisatorischen Starrheit der politischen Parteien (und der Plattformisten).

Die vermeintliche Wirksamkeit der plattformistischen und especifistischen Modelle angesichts des organisatorischen Chaos, das dem Anarchismus zugeschrieben wird, wurde nie in die Realität umgesetzt, in keinem historischen Kontext und in keiner geografischen Region. Und wenn Organisationen dieser Strömungen ein gewisses Übergewicht innerhalb der Bewegung oder in der Gesellschaft erlangten, waren die Ergebnisse die Achillesferse ihrer Apologeten. Je größer der Erfolg der plattformistischen oder especifistischen anarchistische-parteilichen Organisation ist, desto weiter sind sie vom Anarchismus entfernt, scheint die umgekehrt proportionale Funktion zu sein, die ihre Aktionen beschreibt, im Einklang mit „der arithmetischen Besessenheit, die sie charakterisiert“, in den Worten des kubanischen Gefährten Gustavo Rodriguez18. Es genügt, an die „erfolgreichen“ Erfahrungen der französischen OPB, der uruguayischen FAU und der Auca in Argentinien zu erinnern, die in unterschiedlichen Proportionen und Inhalten von organisatorischem Zentralismus, Wahlunterstützung, Leninismus, Populismus, Affinität zum Linkstum und Zusammenarbeit mit Volksregierungen geprägt sind. Und nicht zu verachten ist die Übernahme des veralteten dialektischen Materialismus – der von Plechanow erdachten offiziellen Doktrin der KPdSU, die das Abscheulichste des marxistischen Denkens wiedergibt – als die überlegene Komponente ihrer analytischen Methode.

Der ganze plattformistische/especifistische Jargon ist ein Indiz für ihre theoretisch-analytische Armut: soziale Einfügung (von außen), Disziplin, Klassenkampf, kollektive Verantwortung, Aktionsprogramm, taktische und theoretische Einheit, organisierter Anarchismus, sind Konzepte, die einem antagonistischen Paar gegenüberstehen, das die anderen anarchistischen Tendenzen repräsentiert: soziale Abkopplung, mangelndes Engagement, Disziplinlosigkeit, bourgeoiser Anarcholiberalismus, individuelle Verantwortungslosigkeit, taktische Desorientierung, Desorganisation, Ineffektivität, theoretische Zersplitterung und Sektierertum. Diese manichäistische Vision, die nie der Realität entsprochen hat, ist die einzige Stütze für diese Strömung des Denkens, wenn man sie als solche bezeichnen kann. Die gleichen Slogans werden von Archinows erster Schrift bis zum heutigen Tag als unveränderliche und allgegenwärtige Wahrheiten wiederholt. Jede Kritik an seinen Ansichten wird als Ausdruck einer nicht-revolutionären Haltung verurteilt.

Der Plattformismus wird so zu dem, was er dem Rest der Anarchisten fälschlicherweise unterschiebt: eine dogmatische Kirche von vermeintlich universeller Gültigkeit. Wie Daniel Barret richtig feststellt, präsentiert sich der Plattformismus als „erneuernd“, rechtfertigt sich aber mit einem doktrinären Rahmen, der auf einem historischen Szenario basiert, das nicht mehr existiert:

„Der Großteil der auslösenden Elemente seiner Reflexion ist nicht auf der Ebene der realen Anforderungen und Erfordernisse eines bestimmten konkreten sozialen Kontextes und seiner entsprechenden Geschichtlichkeit angesiedelt, sondern artikuliert sich im Grunde mit einer internen Polemik der anarchistischen Bewegung; im Grunde als eine Anfechtung oder Infragestellung ihrer sehr zweifelhaften politischen Wirksamkeit unter konkreten historischen Umständen. Dieses Thema ist natürlich keine mitternächtliche Erfindung oder ein episodischer Umstand und sollte als solches die Aufmerksamkeit erhalten, die es verdient. Was jedoch nicht richtig erscheint, ist, die Lösungen des Dilemmas aus dem historischen Kontext herauszulösen, in den es gegenwärtig eingebettet ist, und sie stattdessen mit einigen abstrakten Prinzipien zu verbinden, die aus der kritischen Bewertung einer revolutionären Niederlage in Russland und im Jahr 1921 stammen.“

Mit Ausnahme der FAU in der uruguayischen syndikalistischen Bewegung hat keine plattformistische oder anarcho-parteiliche Ausdrucksform einen herausragenden Einfluss auf die sozialen Bewegungen gehabt. Warum dieser Widerspruch zwischen den angeblichen sozialen Wurzeln des Plattformismus, seinem scheinbar sozialen Inhalt, der viel ausposaunten sozialen Einfügung und einer sozialen Realität, die sich für sie immer als schwer fassbar erweist, was sich in ihrer dürftigen oder nicht vorhandenen Beteiligung an sozialen Bewegungen jeglicher Art, insbesondere innerhalb der Arbeiterbewegung, zeigt? Die Antwort ist, dass sich die Plattformisten in der Praxis in ihren Aktions-, Präsentations- und Repräsentationsformen überhaupt nicht vom Rest der politischen Parteien unterscheiden. Sie konkurrieren auf dem gleichen Terrain. Die plattformistische soziale Einfügung kann nichts anderes sein als Entrismus, wenn diejenigen, die innerhalb autonomer sozialer Bewegungen agieren, auf von außen konzipierte Programme reagieren.

„In diesem Kontext kann und wird die taktische Einheit niemals in der Lage sein, die vielfältigen und arrhythmischen Probleme zu lösen, die an der Basis sozialer Bewegungen entstehen und notwendigerweise werden, soweit es um die „spezifische“ Organisation geht, in einer Praxis, die von Komitees geregelt wird, die zur täglichen und institutionalisierten Verwaltung der allgemeinen Vereinbarungen der politischen Arbeit werden, und zwar genau in dem Moment, in dem die Militanten innerhalb dieser Bewegungen ein Leben der offenen Beziehungen und des Austauschs haben oder haben sollten, das durch eine Pluralität, eine Vielfalt und eine nicht übertragbare und nicht verhandelbare Singularität gekennzeichnet ist, die nur im chaotischen und erhabenen Taumel der Vollversammlungen frei fließen und sich ausdehnen kann“ (Daniel Barret).

Wie lassen sich taktische Einheit, Parteidisziplin und die Ausführung eines von der revolutionär-politischen Organisation erarbeiteten Programms mit den Interessen eines autonomen gesellschaftlichen Kollektivs und der Selbstverwaltung konjugieren? Wenn taktische Einheit und kollektive Disziplin außerhalb des Rahmens der Organisation nicht anwendbar sind, welchen Sinn ergibt es dann, in diesen Begriffen zu sprechen?

Hier wird die Bedeutung der Behauptung deutlich, dass der anarchische Kommunismus ein von den Massen erdachter theoretischer Ausdruck ist. In diesem Sinne wäre die anarchistische plattformistische Organisation – nicht die anarchistischen Militanten im Besonderen – die legitime Avantgarde der Massen, ebenso wie die bolschewistische Partei, mit dem Unterschied, dass sie die direkte Demokratie anwendet und nicht für die Machtergreifung eintritt. Aber in beiden Fällen handeln sie innerhalb der Arbeiterklasse oder der sozialen Bewegung als Mitglieder einer Organisation und reagieren auf deren Interessen. Diese Fiktion kann nur aufrechterhalten werden, wenn wir den Widerspruch zwischen den Massen mit vermeintlich libertären Instinkten und dem Bedürfnis nach einer Organisation, die als Anführer oder bestenfalls als Leitfaden fungiert, beiseite lassen. So stellen sie sich selbst als die Partei hin, die den Willen der Massen zum Ausdruck bringt, in der gleichen gewissenlosen Art und Weise, wie sich die Bolschewiki auf die Arbeiterklasse beziehen.

Aus der plattformistischen/especifistische Sicht wäre die soziale Einfügung natürlich das Gegenteil von Entrismus und Dirigismus gegenüber den sozialen Bewegungen. Aber sie weichen nicht von einer „politischen“ Konzeption ab, verstanden als vermittelnde und orientierende Leitung der Massen. Hier entwickelt sich der Plattformismus zu einer symbiotischen Beziehung mit den Parteien der revolutionären Linken und mit den Apparaten und Institutionen der „Populären Macht“. Die kritische Unterstützung linker Politik und die Aufgabe, die Populäre Macht aufzubauen, bilden die Achsen der Annäherung an die autoritäre Linke, die sie als taktischen Verbündeten sehen.

Bei all ihrer linken Rhetorik waren die Plattformisten und die Especifistas schon immer unseriös in ihren Kategorisierungen. So werden die Massen als revolutionäres Subjekt genommen, während sie über Klassenkampf und dialektischen Materialismus reden, ohne zu erkennen, dass eine soziale Klasse nur ein Teil der Massen ist. Die Bauern, die Arbeiter, die Mittelschicht und die petite Bourgeoisie scheinen, je nach Standpunkt, immer auf die gleiche Weise zu handeln und gemeinsame Interessen zu verteidigen, in jedem historischen und geographischen Kontext. Noch überraschender für Anarchisten ist, dass der Staat als historische Institution in ihrer Analyse kaum eine besondere Berücksichtigung findet. In diesem Sinne ist der Plattformismus noch rudimentärer als die gröberen Ausdrucksformen des Bolschewismus.

Innerhalb der plattformistischen Organisation sollen die direkte Demokratie und der Föderalismus die horizontalen Mechanismen sein, durch die alle Mitglieder der Organisation zu einer politischen Einigung gelangen. Entscheidungen werden von der Mehrheit getroffen, während die Minderheit diszipliniert die vorherrschende Position akzeptiert oder sich abspalten kann, wenn sie der Meinung ist, dass die Mehrheitsposition ihre Rechte verletzt. Das Ergebnis ist in beiden Fällen immer taktische und ideologische Einheit, auch wenn das Prinzip der organisatorischen Einheit durchbrochen wird. Das heißt, wenn sich die Minderheit an den Willen der Mehrheit hält, wird die taktisch-theoretische Einheit durch die Parteidisziplin aufrechterhalten; wenn sie sich spaltet, gibt es zwei Organisationen – eine, die aus der Mehrheit und eine, die aus der Minderheit besteht – mit taktisch-theoretischer Einheit. Es ist schwer vorstellbar, wie eine Minderheitsposition den Willen einer anarcho-parteilichen Organisation gewinnen kann, wenn die Minderheit gezwungen ist, zu gehorchen oder sich zu spalten.

Diese Unmöglichkeit der internen Debatte würde noch verschärft, wenn ein Exekutivkomitee – wie Archinow im ursprünglichen Text der Plattform vorschlug – als theoretische Leitung der Organisation eingerichtet werden würde. Das Komitee führt die Organisation, die Organisation führt die sozialen und syndikalistischen Bewegungen, die wiederum die Massen führen. So wird die Populäre Macht aufgebaut, unter der Führung der Revolutionären Politischen Organisation. Glücklicherweise fühlen die Massen nicht diese Dringlichkeit, die Populäre Macht aufzubauen, die die Plattformisten ihr zuschreiben. Die Forderung, sich auf Aktionsprogramme zu einigen, ist eher einer plattformistischen Phobie vor Spontaneität und Unsicherheit geschuldet als einem wirklichen Bedürfnis der Massen.

Zum Schluss werden wir noch ein wenig über die Frage der Übersetzung von Volin streiten. Laut dem Plattformisten A. Skirda:

„Die erste von Volin angefertigte Übersetzung wurde als „schlecht und ungeschickt“ kritisiert, weil der Übersetzer nicht darauf geachtet hatte, „die Terminologie und die Phrasen dem Geist der französischen Bewegung anzupassen.“ (Le Libertaire, Nr. 106, 15.4.1927). Wir suchten, worauf diese Vorwürfe zutreffen könnten, und fanden in der Tat mehrere ausdrücklich deformierte Begriffe: „napravlenie“, was sowohl „Richtung“ als auch „Orientierung“ bedeutet, wurde systematisch im ersten Sinn verwendet. Dasselbe geschah mit dem Substantiv „rukovodstvo“, was „leiten“ bedeutet, und dem entsprechenden Verb „ leiten, führen, lenken, verwalten“, die immer mit „lenken“ übersetzt wurden. Der offensichtlichste Fall befindet sich im letzten Satz der Plattform: „zastrelshchik“, „der Aufwiegler“, wurde mit „Avantgarde“ übersetzt. So konnte durch leichte Berührungen der tiefere Sinn des Textes verändert werden. Es ist ein Ärgernis, weil der Übersetzer Volin später ein entschiedener Gegner der Plattform“ war. (A. Skirda; Autonomie individuelle et force collective (les anarchistes et l’organisation de Proudhon à nos jours, 1987, S.246).

Zunächst einmal muss man sagen, dass Skirda ein plattformistischer Essayist ist, grob tendenziös und übertrieben, all dies verdünnt mit einer guten Dosis professioneller Unfähigkeit als Historiker. Und diese ausgeprägte intellektuelle Ungeschicklichkeit manifestiert sich im obigen Zitat, da er Volins Übersetzung bestimmter russischer Wörter, die eine semantische Mehrdeutigkeit aufweisen, ins Französische für böswillig hält, ihm aber entgeht, dass gerade in dieser Unbestimmtheit des Wortes das Problem liegt, nicht in Volins unbeweisbarer und vermeintlich böser Absicht. Außerdem kann Archinow selbst absichtlich zweideutige Begriffe verwendet haben, aber wie kann man das wissen oder beweisen? Skirda spricht von seinen Vermutungen, als wären sie unwiderlegbare Beweise.

Es ist fantastisch, dass Skirda vergisst, dass Volin ein hervorragender Übersetzer war, dass es gerade Volin war, der Archinows Originalmanuskripte der „Geschichte der machnowistischen Bewegung“ rettete – ein Werk, das er später ins Französische übersetzte – und dass Archinow trotz seiner ideologischen Distanzierung nie an Volins Fähigkeit oder Ehrlichkeit in dieser Hinsicht zweifelte.

In Realität soll diese ganze Geschichte der böswilligen Übersetzung die Ablehnung von Malatesta rechtfertigen, der seine Kritik auf Volins Version stützte. Die Ablehnung der Plattform durch fast die gesamte anarchistische Bewegung auf ein Problem der Übersetzung zu reduzieren, ist jedoch beispiellos in der Geschichte der Ideen. Eine solche Polemik erinnert an die Bemühungen der christlichen Reformatoren um eine korrekte Übersetzung der Bibel als Ersatz für die lateinische Vulgata. Ein ähnlicher Fall in der Geschichte ist bei unendlich komplexeren Texten – wie denen von Hegel oder Marx – nicht eingetreten, was sich angesichts einer so gut begründeten und verbreiteten Ablehnung als kindische Lösung erweist. Niemand käme auf die Idee zu behaupten, dass die „stalinistische Ketzerei“ auf die Lektüre einer fehlerhaften Übersetzung der Werke von Marx und Engels zurückzuführen ist. Aber auch eine korrekte Übersetzung hat die Plattform nicht immun gegen Kritik gemacht, was Skirdas Behauptung zu sein scheint. Alle Zitate, auf die sich diejenigen von uns stützen, die gegenwärtig die Ansichten der Plattformisten bestreiten, basieren auf der korrekten Übersetzung, die von den Plattformisten selbst angefertigt wurde. Die Plattform ist in jeder ihrer Versionen ein Wrack; so viel ist klar, wenn man sie liest.


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En: http://www.nestormakhno.info/spanish/index.htm

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–          Sobre la disciplina revolucionario, Néstor Makhno.1926

–          Reply of Some Russian Anarchists to the Platform, Volin y otros. 1927

–          About a Project for Anarchist Organization, Luigi Fabbri .1927

–          La Plataforma, Camillo Berneri.1927

–          Un plan de organización anarquista, Errico Malatesta.1927

–          Organization and Party, Maria Isidine.1928

–          Elementos viejos y nuevos en el anarquismo (respuesta a María Isidine), Piotr Archinov. 1928

–          Lo viejo y lo nuevo en el anarquismo (respuesta a Errico Malatesta), Piotr Arshinov.1928

–          Sobre la Plataforma (respuesta a Malatesta), Néstor Makhno. 1928

–          Respuesta a Makhno, Errico Malatesta.1929

–          Sobre la responsabilidad colectiva, Errico Malatesta.1930

–          Una Segunda Carta a Malatesta, Néstor Makhno. 1930


1Viele der Gedanken, die Bakunin zugeschrieben werden, stammen aus seiner persönlichen Korrespondenz, wodurch sie mit politischen Texten gleichgesetzt werden, die mit der Absicht geschrieben wurden, sie öffentlich zu verbreiten. Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate stiften Verwirrung, weil sie im Widerspruch zu Bakunins allgemeineren Ideen stehen, die Cappelletti in Bakunin y el socialismo libertario brillant dargelegt hat. Caracas, 1986.

2A.d.Ü., die Großbuchstaben wurden so vom Originaltext übernommen.

3A.d.Ü., dieser Absatz erschien in der Ausgabe aus dem Jahr 2011, welches von Ediciones Crimental in Chile veröffentlicht wurde, aber nicht in der Ausgabe von Editorial Diaclasa.

4A.d.Ü., Anton Pannekoek, Partei und Arbeiterklasse, Rätekorrespondenz, Heft 15, März 1936. Den Text kann man mit einem Kommentar von Paul Mattick dazu hier lesen:

https://panopticon.blackblogs.org/2023/09/28/partei-und-arbeiterklasse-von-anton-pannekoek-und-ein-kommentar-von-paul-mattick-dazu/

5A.d.Ü., Warum wir gegen Parteien sein müssen, Roi Ferrero, hier zu lesen: https://panopticon.blackblogs.org/2021/09/22/warum-wir-gegen-parteien-sein-muessen-roi-ferreiro/

6A.d.Ü., auf Deutsch ist eher die Rede von der Organisationsplattform der Allgemeinen Anarchistischen Union

7A.d.Ü., der Begriff Klassismus steht hier nicht in Zusammenhang zu der Diskriminierung einer Klasse durch eine andere.

8A.d.Ü., Hauptidee verstanden als der ideologische Fundament.

9A.d.Ü., an dieser Stelle unterscheiden sich die spanische und die deutsche Übersetzung vom Organisationsplattform der Allgemeinen Anarchistischen Union komplett, während in der spanischen Fassung die Rede von einer Organisation ist, spricht die deutsche Fassung von „Nur ein von den Massen eingerichtetes spezielles Ideenkollektiv kann diese führende ideelle Kraft werden.“

10A.d.Ü., auch dieser Absatz erschien in der Ausgabe aus dem Jahr 2011, welches von Ediciones Crimental in Chile veröffentlicht wurde, aber nicht in der Ausgabe von Editorial Diaclasa.

11A.d.Ü., aus dirigir – dirigista, lenken, anführen, dirigieren.

12A.d.Ü., der komplette Text von Malatesta ist in der Broschüre von Venomous Butterfly Publikationen „Wie anarchistisch ist die Plattform?“ zu lesen, hier der Link: https://panopticon.blackblogs.org/2024/03/27/venomous-butterfly-publikationen-wie-anarchistisch-ist-die-plattform/

13A.d.Ü., Ebenda

14A.d.Ü., die Unterscheidung ist daher wichtig, weil im spanischen es verwirrend wirken kann, wenn zwischen agrupaciones específicas und especifismo die Rede ist.

15El movimiento anarquista uruguayo en los tiempos de cólera; unter http://www.alasbarricadas.org/noticias/?q=node/8156

16A.d.Ü., ist der Bündnis linker Parteien in Uruguay. Regierte von 2005 bis 2020, mit dem ehemaligen Mitglied der Tupamaros José Mujica als Präsident.

17A.d.Ü., (Bob Black) Hölzerne Schuhe oder Plattformschuhe? Zur „Organisatorischen Plattform der Libertären Kommunisten“, auch hier zu lesen: https://panopticon.noblogs.org/post/2024/01/10/bob-black-hoelzerne-schuhe-oder-plattformschuhe-zur-organisatorischen-plattform-der-libertaeren-kommunisten/

18Algunas reflexiones sobre el extravío teórico ideológico en el pensamiento ácrata contemporáneo – Einige Reflexionen zu den theoretischen und ideologischen Irrwegen im zeitgenössischen anarchistischen Denken, Gustavo Rodríguez. Hier handelt es sich um eine schonungslose und rücksichtslose Kritik am Plattformismus und anderen -Ismen.